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Kultur: "Inugami": Das Geisterhaus

Miki Schöpft Papier. Routiniert rührt sie die milchige Rohmasse an, taucht Bastrahmen ein, zieht frische Bögen aus dem Bottich, prüft die Maserung und hängt sie zum Trocknen ins Freie.

Miki Schöpft Papier. Routiniert rührt sie die milchige Rohmasse an, taucht Bastrahmen ein, zieht frische Bögen aus dem Bottich, prüft die Maserung und hängt sie zum Trocknen ins Freie. Über dem Berg hinterm Haus ziehen Wolken auf.

Es mag altmodisch sein, im Kino gerne Menschen bei einer Arbeit zuzusehen, die sie selbst lieben. Genauso altmodisch beginnt "Inugami" von Masato Harada: mit der Schönheit eines uralten Handwerks und den ruhigen, Handgriffen einer Frau. Aber dann wächst der Wind sich zum Sturm aus; Mikis Papier verweht, Haradas Filmbilder verwischen, und ein Mopedfahrer nähert sich auf der gewundenen Bergstraße dem Ort des Geschehens. Von wegen Ruhe. Die Zuschauerin ist gewarnt: Hier, in diesem abgelegenen Bergdorf auf der Insel Shikoku, geht es nicht mit rechten Dingen zu. In den nächsten 100 Minuten verwandelt Harada den Kinosaal in eine Geisterbahn.

Es spukt, aber gewaltig: In der Nacht wird die 40-jährige Miki (Yuku Amami) und ihre Verwandtschaft von Alpträumen heimgesucht. Mikis tote Mutter zählt die Halme in den Tatami-Matten vor dem Ahnenalter, am nächsten Morgen hat sich Miki in ein schönes, junges Mädchen verwandelt. Ein Fluch liegt auf Mikis Familie, den Bonomiyas; einst liebten sich Bruder und Schwester bei Gewitter in einer Baumhöhle (die kitschigste Sex-Szene der Berlinale 2001), und seitdem ist Miki im Teufelskreis des Wiederholungszwangs gefangen.

Regisseur Harada hat daraus ein modernes und gleichwohl archaisches Schauermärchen gemacht, in der die alte und die neue Welt zwischen Zedernwald und Lotusteich eine Familienfehde austragen: Inzest oder Internet, Girlie oder Kräuterweiblein, Ghost Dogs oder Mini-Cooper, Jagdgründe oder Country-Club. "Inugami" schlingert zwischen Trance und Trash und mag sich nicht entscheiden. Immer wieder verkümmert die zauberhafte Landschaft zur Folie für abgeschmackte Special Effects. Die Postbotin liegt epileptisch zitternd auf der Straße, der Horror häuft sich. Und mit ihm Selbstmorde, Herzinfarkte und Rachefeldzüge bis hin zum mörderischen Showdown beim Jahrestag des Ahnenfests samt finalem Liebestod.

Was fällt uns Europäern zum Stichwort Japan ein? In der Regel zwei Dinge: Samurai und Hightech. Genau diese Fernost-Fantasien bedient "Inurami" und hält damit kaum Überraschendes bereit. Nur jene Szene, in der ein PC bis zum Absturz verhext wird, macht Eindruck: Der Computer, an dem diese Rezension ursprünglich verfasst werden sollte, hatte prompt einen Virus.

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