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Asghar Farhadi bei der Premiere von "The Salesman" im Sommer 2016 in Paris.

© Michel Euoler/AP/dpa

Iran und Israel: Schluss mit der Feindschaft der Länder? Oscar-Preisträger Farhadi erregt Aufsehen

Gerade hat er den Oscar gewonnen, nun könnte Regisseur Asghar Farhadi im Iran Ärger bekommen. Weil er im Interview mit einer israelischen Zeitung für das Ende der Feindschaft mit Israel plädiert.

Ein Interview des iranischen Oscar-Gewinners Asghar Farhadi („The Salesman“) in der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ sorgt im Iran für Aufsehen. Die sozialen Medien berichten ausführlich, die Website des Staatsfernsehens nennt es „äußerst bedenklich und kontrovers“. Der Regisseur plädiert in dem Interview für ein Ende der fast 40-jährigen Feindschaft zwischen Israel und Iran, jedenfalls indirekt. Wörtlich lautet die Passage: "Eine letzte Frage: Israel and Iran – wie lösen wir das Problem?" Farhadi: "Die Politiker werden es nicht lösen, sie haben zu viel zu verlieren. Meine einzige Hoffnung sind die Menschen, nicht die Politiker". Farhadi führt dann kurz aus, dass Politiker bei den Bürgern Angst schüren, um die eigene Notwendigkeit zu legitimieren, und dass sie damit recht erfolgreich seien. Als der Interviewer Uri Klein anmerkt, Benjamin Netanjahu sei ein gutes Beispiel, fügt Farhadi hinzu: "Wir hatten Ahmadinedschad".

Interview mit "Haaretz"? Kontakt mit Israel ist Iranern verboten

Im Iran ist jeder Kontakt mit dem sogenannten „Erzfeind“ Israel strikt verboten, deshalb könnte das publizierte Gespräch für Farhadi gefährlich werden. Wegen der Neujahrsferien im Iran gibt es bislang keine offizielle staatliche Reaktion, die Stimmung im Land gilt jedoch als angespannt, wegen der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Mai und interner Machtkämpfe zwischen Hardlinern und Reformern um Präsident Rohani.

Emad (Shahab Hosseini) und Rana (Taraneh Alidoosti) in Farhadis oscarprämierten Drama "The Salesman".
Emad (Shahab Hosseini) und Rana (Taraneh Alidoosti) in Farhadis oscarprämierten Drama "The Salesman".

© Prokino

Farhadis Büro betonte, es handele sich nicht um ein exklusives „Haaretz“-Interview, es sei im Rahmen kleiner Pressekonferenzen im Mai 2016 beim Filmfestival in Cannes entstanden. Offenbar ist ein sogenanntes Press Junket gemeint, ein Gruppeninterview. Die Produktionsfirma von "The Salesman", Memento, habe die Pressearbeit während des Festivals organisiert. In dem Interview spricht Farhadi außerdem darüber, dass er in seinen Filmen immer versucht, verschiedene Perspektiven auf eine Situation einzunehmen und nie nur einen, etwa seinen Standpunkt zu zeigen. Und dass er Frauen generell für verantwortungsbewusster hält und ihnen mehr zutraut als Männern.

Asghar Farhadi: Filmemacher können Stereotypen aufbrechen

Asghar Farhadi erhielt den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film bereits zum zweiten Mal, nach der Auszeichnung 2011 für "Nader und Simin". Anders als damals war er dieses Jahr nicht zur Gala nach Los Angeles gereist, aus Protest gegen Donald Trumps Einreisestopp für Muslime aus sieben Ländern. Auch wenn für ihn eine Ausnahme gemacht worden wäre, verzichtete er aus Solidarität auf das zweifelhafte Privileg. In seiner bei der Gala verlesenen Dankesrede hieß es, die Trennung der Welt in „uns“ und „die Feinde“ wecke Angst. Filmemacher, so Farhadi, könnten das Gegenteil bewirken: "Sie können ihre Kameras auf Gemeinsamkeiten richten und nationale wie religiöse Stereotypen aufbrechen. Sie können Empathie wecken, zwischen ,uns' und den ,Anderen'. Eine Empathie, die wir heute nötiger brauchen denn je."

Im Iran wird Farhadi gefeiert - und kritisiert

Auch wenn er mit seinen Äußerungen nicht nur die US-Regierung adressiert, sondern - etwas verhaltener - ebenso das Regime in seinem eigenen Land, wurde er im Februar wie ein Nationalheld gefeiert. Nicht nur seine Fans freuten sich in den sozialen Netzwerken über den Oscar, es gab auch offizielle Glückwünsche. So gratulierten etwa der Außen- und der Jugendminister im Iran, auch wegen des Fernbleibens des gesamten Ensembles als Protestgeste gegen das Einreiseverbot.

Der iranische Regisseur Asghar Farhadi im Filmmuseum in Teheran bei einer Feierstunde zu seinen Ehren. Neben ihm seine Frau Parisa Bakhtavar (2.v.l), seine Tochter Sarina (2.v.r), die Schauspielerin Fatemeh Motamed Arya (l) und der Chef der staatlichen Organisation für Film und audiovisuelle Angelegenheiten des Irans, Hojjatollah Ayoubi.
Der iranische Regisseur Asghar Farhadi im Filmmuseum in Teheran bei einer Feierstunde zu seinen Ehren. Neben ihm seine Frau Parisa Bakhtavar (2.v.l), seine Tochter Sarina (2.v.r), die Schauspielerin Fatemeh Motamed Arya (l) und der Chef der staatlichen Organisation für Film und audiovisuelle Angelegenheiten des Irans, Hojjatollah Ayoubi.

© Vahid Salemi/AP/dpa

Farhadis Werk selbst ist im Iran umstritten. So wird etwa "The Salesman", die Geschichte eines fundamental verunsicherten Mittelstands-Ehepaars, das nach einem Überfall nicht die Behörden einschaltet, sondern Selbstjustiz übt, einerseits gelobt, andererseits kritisiert, weil es das Land in einem falschen Licht zeige. Auch seine Haltung zur Teheraner Führung ist ambivalent, er gilt als moderater Regimekritiker. Schon beim Ehedrama "Nader und Simin", seinem damals im Iran wie international erfolgreichen Film, der auch mit dem Berlinale-Bären ausgezeichnet wurde, hatte Farhadi sich mit direkten politischen Äußerungen zurückgehalten. Der Film selbst verweist hingegen deutlich auf Missstände im Iran sowie auf die Sorgen und Zukunftsängste der bürgerlichen Mittelschicht. (mit dpa)

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