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Irina Brook bei den Proben zum "Liebestrank".

© Deutsche Oper

Irina Brook inszeniert an der Deutschen Oper: Archäologin des Augenblicks

Die Regisseurin Irina Brook siedelt die Handlung von Gaetano Donizettis opera buffa „Der Liebestrank“ im Schausteller-Milieu an. Ein Besuch bei den Proben in der Deutschen Oper Berlin.

Zufälle gibt's. Da sitzt Irina Brook im Foyer der Deutschen Oper und spricht über ihre nächste Premiere, Donizettis „L'Elisir d'Amore“ – und hinter ihr strömen die Zuschauer gerade in die Vorstellung „Lucia di Lammermoor“, auch von Donizetti, aber eine Produktion von 1980, die zweitälteste im Repertoire des Hauses. Das Bewährte und das Neue, sie liegen manchmal sehr nah beieinander. Gerade ist eine Probe zu Ende gegangen, Irina Brook fühlt sich etwas müde. Erst vor zwei Tagen hat sie Quartier in Berlin bezogen. Eine Weltenbummlerin – anders als die Figuren in Donizettis Oper. Die leben in ihrer festgefügten baskischen Dorfwelt und lassen sich willig vom Quacksalber Dulcamara beschwatzen, allerlei Heilmittelchen zu kaufen, darunter auch den titelgebenden „Liebestrank“. Brook will dieses Milieu in seinen Grundzügen belassen, aber auch dynamisieren: Die Dorfgemeinschaft wird durch eine reisende Theaterkompanie ersetzt, zwei Wohnwagen rahmen die Bühne, Fellini lässt grüßen.

Irina Brook weiß selbst, was es heißt, nirgendwo richtig zu Hause zu sein. Geboren wurde die Tochter des Regisseurs Peter Brook in Paris, ihr Leben lang ist sie gependelt zwischen der englischen und französischen Welt, ist in beiden Sprachen aufgewachsen. Sie war zunächst Schauspielerin, bevor sie 1996 begann, selbst Regie zu führen: Am Oxford Playhouse, am Théâtre Vidy-Lausanne, am Théâtre de l'Oeuvre in Paris. 2003 gründete sie ebendort Irina's Dream Theatre, wo Stücke von Brecht, Thornton Wilder oder Shakespeare laufen. Mit einer Inszenierung von „Peer Gynt“ war sie 2012 erstmals zu den Salzburger Festspielen eingeladen. Natürlich, der berühmte Vater, vor allem dessen für ganze Theatergenerationen prägendes Buch „Der leere Raum“, ist bei so einer Biografie immer präsent. „Es ist Teil meiner Gene geworden“, sagt sie. „Oft ertappe ich mich dabei, wie ich eine Szene betrachte und sage: ,Oh, seht mal, der leere Raum.‘“ Abgegrenzt von ihm hat sie sich, wenn überhaupt, höchstens unbewusst. Etwa in ihrer pompösen Inszenierung von Shakespeares „Sturm“ am Dream Theater – zu einer Zeit, als Peter Brooks Arbeiten immer minimalistischer wurden. „Jemand hat mich nach der Premiere gefragt, ob ich mich gegen meinen Vater auflehnen wolle – darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht“, erzählt sie schmunzelnd. Noch immer würde der 89-Jährige ihre Arbeiten regelmäßig verfolgen und mit den Jahren auch immer konkreter werden mit seiner Kritik. „Die kann ich gut annehmen, wenn Ähnliches schon unbewusst in mir rumort“, meint sie. „Wenn es hingegen nur um eine Geschmacksfrage geht, dann sperre ich mich.“ Im Januar stieg sie die Karriereleiter noch einmal höher und wurde Direktorin des Théâtre National in Nizza – das nun zu so etwas wie ihrer „Heimat“ wird.

1999 hat Brook erstmals eine Oper inszeniert, „Die Zauberflöte“ in Enschede. Mozarts Wunderwerk wurde auch für sie zum Initiationserlebnis, zum Schlüssel, der eine bis dahin fremde Welt aufschloss. „Es ist eine Welt mit eigenen Regeln und Codes. Für Regisseure kann das manchmal frustrierend sein, weil sie weniger Freiheiten haben als im Schauspiel“, erklärt sie. Trotzdem hat sie seither sechs Opern inszeniert und bei Rossinis „Cenerentola“ ihre Liebe für den Belcanto entdeckt. Da passt es, dass ihr die Deutsche Oper Donizettis „Liebestrank“ vorgeschlagen hat: „Dem Stil und der Epoche fühle ich mich sehr verwandt.“ Sich dem Stück mit einer vorgefertigten Idee zu nähern ist ihre Sache nicht, der Moment zählt, nicht der Plan. „Im Augenblick liegt der wahre Schatz. Da sehe ich mich als Archäologin“, sagt sie. Dass „Der Liebestrank“ keine wirkliche Buffo-Oper ist, dass in der Sehnsucht der Hauptfigur Nemorino („kleiner Niemand“) nach der schönen Adina auch eine große Verzweiflung und Todessehnsucht steckt – das kommt Irina Brook sehr entgegen. „Das Stück besitzt viel mehr Tiefe, als ich dachte. Ich mag es, wenn Leichtes und Profundes Hand in Hand gehen.“

Premiere 25.4., 19.30 Uhr. Weitere Aufführungen 30.4. sowie 3., 8. und 10.5., jeweils 19.30 Uhr

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