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Kultur: Israel: Ein heilloses Durcheinander

Israel Wählt. Auf jeden Fall.

Israel Wählt. Auf jeden Fall. Entweder - wohl am 6. Februar - nur einen neuen Ministerpräsidenten oder aber etwas später den Regierungschef und das Parlament; oder nur die Knesset. So verwirrend sich die Lage nach dem letztlich überraschenden, weil einsam beschlossenen Rücktritt von Ehud Barak ausnimmt, die politische Realität ist noch viel komplizierter. Der Kabinettschef hatte an einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Samstagabend seine Entscheidung angekündigt und diese mit der Übergabe des Demissionsschreibens an Staatspräsident Mosche Katzav am Sonntag vollzogen. Die Demission tritt innerhalb von 48 Stunden in Kraft, beeinträchtigt aber Barak und seine Minderheitsregierung der linken Mitte keineswegs in ihren Aktivitäten und würde theoretisch auch die Unterzeichnung eines Friedensabkommens mit den Palästinensern zulassen.

Nach nur anderthalb Jahren im Amt, nachdem er als Kandidat der Arbeitspartei mit überwältigender Mehrheit anstelle des nationalkonservativen Benjamin Netanjahu als Regierungschef gewählt worden war, hat Barak den jüdischen Staat mit seinem Rücktritt in eine vollkommen unübersichtliche Krisensituation gebracht. Verzweifelt suchen unabhängige und parteigebundene Juristen nach Auswegen, die Politiker eher nach Hintertürchen. Fast stündlich ändern sich die Szenarien. So kommt es vor, dass zum Beispiel der Justitiar der Knesset am Sonntagmorgen verkündet, am Montag könnte noch über einen Misstrauensantrag gegen die Regierung abgestimmt werden, gegen Mittag aber erklärt, dies sei rechtlich doch nicht möglich. Kurz darauf versichert er, es könnte doch eine Misstrauensabstimmung stattfinden - unter Vorbedingungen, und schließlich meint, es komme darauf an, wo wann welcher Abgeordnete einen Antrag gestellt habe: am Rednerpult oder am Mikrophon für Zwischenfragen.

Schuld an diesem heillosen Durcheinander sind genau die gleichen Politiker und Juristen, die sich nun aus diesem herauszuwinden versuchen. Denn sie haben eine Wahlrechtsreform eingeführt, die 1996 erstmals zur Anwendung kam, aber exakt das Gegenteil der angestrebten Ziele bewirkte. Bald einmal stellte sich heraus, dass die Stellung des Ministerpräsidenten nur auf dem Papier gestärkt, die Erpressungs-Möglichkeiten der kleinen Parteien nicht geschmälert, deren Anzahl und Stärke gar vergrössert worden war. Auch aus diesem Grund wurden die Gesetzeslöcher nicht gestopft und die Reform nicht durchgezogen.

Die gegenwärtige Lage: Nach dem Gesetz muss nach Inkrafttreten des Rücktrittes des Regierungschefs innerhalb von 60 Tagen nur der Nachfolger gewählt werden. Für das höchste Amt dürfen nur amtierende Knessetmitglieder kandidieren. Bis der Rücktritt in Kraft tritt, kann (vermutlich, weil unter Juristen umstritten) die Knesset der Regierung das Misstrauen aussprechen. Dies müsste am heutigen Montag erfolgen, sofern der Misstrauensantrag rechtlich zulässig ist, und zwar mit einer absoluten Mehrheit von 61 der 120 Knessetmitglieder. Das würde Wahlen sowohl für das Amt des Premiers als auch des Parlaments in frühestens 90 Tagen nach sich ziehen.

Der Vermutung, dass Barak mit seinem Rücktritt eine Kandidatur Netanjahus und damit seine eigene sich abzeichnende Wahlniederlage verhindern will, ist der Regierungschef entschieden entgegen getreten. Vielmehr verstärkt sich nun der Eindruck, dass Barak mit kurzfristigen Wahlen eine parteiinterne Gegenkandidatur verhinderte, nachdem sich in den letzten Tagen nicht zuletzt infolge der für ihn verheerenden Umfragen eine starke Opposition gegen ihn bemerkbar gemacht hatte. Baraks Furcht vor einem erntshaften Konkurrenten dürfte der wahre Grund für seinen Rücktritt gewesen sein, den die Opposition als "letzten schmutzigen Trick" abwertete. Als Favorit eines parteiüberschreitenden "Friedens-Lagers" und als linker Gegenkandidat zu Barak wird immer häufiger Schimon Peres genannt, der in den Umfragen bereits deutlich besser als Barak abschneidet; aber immer noch schlechter als Netanjahu.

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