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Kultur: Ist Tag, ist Nacht?

Sturztrunken hievt sich der Kesselflicker Sly auf die Bühne. Noch haben nicht alle Besucher Platz gefunden im sommerlichen Monbijoupark.

Sturztrunken hievt sich der Kesselflicker Sly auf die Bühne. Noch haben nicht alle Besucher Platz gefunden im sommerlichen Monbijoupark. Mancher Gast balanciert mit Weingläsern durch die Reihen. Die Schauspieler warten nicht, bis in dem kleinen Freiluftareal des Hexenkessel-Hoftheaters Ruhe eingekehrt ist. Sie legen lauthals los, und so schnell werden sie nicht wieder leise.

Regisseur Jan Zimmermann katapultiert die frühe Shakespeare-Komödie „Die Zähmung der Widerspenstigen“ mit schier atemloser Wucht auf die selbstgezimmerte Holzbühne. In stark modernisierter Fassung und verschlanktem Text, schießen die Wortgefechte auf die Zuschauer herunter. Feuerrot sind Haare, Kleid und Lippenstift der kratzbürstigen Lady, die Katharina mimt – passend zu ihrem heissblütigen Temperament.

„My Lord“, nennt sie den armen Schlucker Sly, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Plötzlich trägt er einen prächtigen Mantel. Nimmt ein Mensch die Identität eines anderen an, wenn man ihn lang genug beim falschen n nennt? Die Herrin des Hauses hat Langeweile und lässt es auf einen Versuch ankommen. Auf einem Podest inmitten der Zuschauer thront sie mit einem Glas giftgrünem Pfefferminzlikör in der Hand und beobachtet das selbstinszenierte Schauspiel. Dem jungen Kesselflicker gefällt das neue Ich, mit dem er Herr und Gebieter ist – er übernimmt die Regie. Leicht pikiert macht die Lady Platz für ihn. In schweißtreibenden Kostümwechseln vollführen die Darsteller polternde Rollenwechsel. Über allem wacht – ganz in Weiß, mit einer Mönchskutte umhüllt, die Hände auf ein grosses Kreuz gelegt – eine Figur auf einem Sockel. Sie stammt aus „Was ihr wollt“, dem anderen Sommer-Stück des Shakespeare-Ensembles Berlin. Bald stecken alle sechs Darsteller in einem turbulenten Verwirrspiel, das einer Stand-up-Comedy gleicht. Komisch ist hier vor allem, wie sich die Figuren spontan aus vertrackten Situationen herausmanövrieren müssen: Petruchio, alias Sly, schickt die angetraute Katharina, alias die feine Lady, in die Küche, um Essen zu kochen. Erzürnt, aber machtlos befolgt die Dame ihren Auftrag, um wenig später mit einem Gegenschlag aufzuwarten: Nach einer Kostprobe aus dem übel dampfenden Topf legt Petruchio einen Moonwalk hin. Degen werden wie Luftgitarren zum Kampf geschwungen. Der Zopf, den der Butler wie einen Rattenschwanz an seinem Hinterkopf trägt, wird zum Zügel, der umgekippte Stuhl flugs zum Pferd umfunktioniert.

Doch selbst das derbe Rollen-Spiel ist nicht frei von Regeln: Ist Tag, ist Nacht? In einem hitzigen Wortgefecht verhandeln Katharina und Petruchio darüber, ob über ihren Köpfen der Mond bereits aufgegangen ist oder sie im hellen Sonnenlicht reiten. Für Petruchio/Sly eine nicht unwesentliche Entscheidung: Er fühlt sich um die Hochzeitsnacht betrogen, falls schon der nächste Tag angebrochen ist. Sie dagegen flüchtet sich in die Behauptung, die Nacht sei schon vorüber: Der Wortgewandtere soll gewinnen. Auch Wassertrinker fühlen sich am Ende vom Tempo im Hexenkessel angeschäkert. Dorte Huneke

Bis 3. August , Monbijoupark, Eingang an der Fußgänger-Brücke am Bodemuseum, Dienstag bis Samstag, 19Uhr30 .

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