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Kultur: Ivo-Hauptmann-Retrospektive: Die Schönheit dieser Welt

Vier Jahres ist es her, da war in Berlin erstmals eine Retrospektive des Malers Ivo Hauptmann (1886-1973) zu sehen, organisiert von der Enkelin im Hotel Brandenburger Hof. Schon damals konnte man sich nur wundern, dass noch immer kein Kunsthändler sich des herausragenden Werks angenommen hatte.

Vier Jahres ist es her, da war in Berlin erstmals eine Retrospektive des Malers Ivo Hauptmann (1886-1973) zu sehen, organisiert von der Enkelin im Hotel Brandenburger Hof. Schon damals konnte man sich nur wundern, dass noch immer kein Kunsthändler sich des herausragenden Werks angenommen hatte. Die Galerie Brockstedt hat nun zugegriffen und präsentiert Hauptmanns pointillistische und später expressionistische Gemälde, die nun allerdings preislich gewaltig zugelegt haben.

Noch immer gilt es also, das µuvre des ältesten Sohnes von Gerhart Hauptmann zu entdecken, dessen Geburtshaus die heutige Gedenkstätte des Dramatikers und Dichters in Erkner war. Auch wenn der berühmte Vater schon früh die Familie verließ, unterstützte er doch dessen künstlerische Entwicklung. Nur so ist zu erklären, dass Ivo bereits als 17-Jähriger an die legendäre Académie Julian nach Paris geschickt wurde und in jungen Jahren immer dort zu finden war, wo man die interessantesten künstlerischen Erfahrungen sammeln konnte. Nach einem Semester bei Lovis Corinth in Berlin folgten Lehrjahre in Weimar, das 1904 durch Harry Graf Kesslers Engagement zu der Avantgarde-Stadt Deutschlands geworden war. Hier begegnete Hauptmann Edvard Munch und Maurice Denis, lernte Hans Arp und Otto Illies kennen und konnte in Ausstellungen Impressionismus, Neo-Impressionismus, Symbolismus und Jugendstil studieren.

Entscheidend wurde für den Adepten jedoch der zweite Paris-Aufenthalt 1909/10, wo Paul Signac ihn unter seine Fittiche nahm. Mit ihm machte er Exkursionen an die Seine und ins Umland und wurde zu einem der wenigen pointillistischen Maler Deutschlands. Die Galerie Brockstedt zeigt einige jener leicht und farbenfroh hingetupften Aquarelle (8000-1000 Mark), in denen sich die erdige Schwere seiner Weimarer Gemälde auflöst, die mit deutlich von van de Velde beeinflussten Aktbildern (70 000 / 75 000 Mark) vertreten sind. Bis in die zwanziger Jahre hinein behielt Hauptmann jene pastosen Pinseltupfen bei, dann aber musste er feststellen: "Ich war durch Theorien über Komplementärfarben und andere Farbprobleme derartig vollgestopft, dass ich nur noch dachte und nicht mehr sah," wie er in seinen Memoiren bekannte.

Die Begegnung mit dem "Brücke"-Künstler Otto Mueller führte ihn schließlich zum Expressionismus, den er durch seine pointillistische Prägung mit leuchtenden Farben erfüllte. Ähnlich wie Karl Schmidt-Rottluff behielt er nach dem Zweiten Weltkrieg entgegen dem allgemeinen Trend zur Abstraktion seine expressionistische Malweise bei, für die sich sehr schöne Beispiele in der Ausstellung finden, darunter das strahlende "Rote Haus" von 1953 (54 000 Mark).

Gerade darin entwickelte Hauptmann seine besondere Stärke: in der eigenwilligen Mixtur aus norddeutschem Expressionismus und französischer Farbigkeit, dem Bekenntnis - im besten Sinne - zur Oberfläche. In seinen Memoiren resümierte Hauptmann mit der gleichen Nonchalance: "Ich habe die Herrlichkeit und Schönheit dieser Welt genossen und immer wieder versucht, die Unendlichkeit festzuhalten."

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