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Kultur: Jahrhundertbriefe

Rare Autographen kommen heute bei einer außergewöhnlichen Auktion in Basel zum Aufruf

Kostbare Urkunden aus der Hand Otto I, ein Brief Goethes an Beethoven oder die prachtvolle Niederschrift der Arie 21 von Mendelsohn-Batholdy: Gemeinsam sind wir stark, wird das Motto gewesen zu sein, als sich die beiden großen Antiquariatshandlungen J. A. Stargardt aus Berlin und Moirandat Comp. aus Basel zusammengetan haben, um eine wahre „Jahrhundertauktion“ zu veranstalten. Chronologisch geordnet kommen 479 Lose zum Ausruf, unter denen sich so seltene Stücke befinden, dass sich selbst Kenner nicht an ein so hochkarätiges Angebot erinnern können. Das beginnt in der Abteilung vom Mittelalter bis zur Renaissance unter anderem mit Dokumenten Kaiser Friedrich I. (Taxe 200 000 Schweizer Franken.) und einer Schenkungsurkunde Otto I. aus dem Jahr 960 für ein Nonnenkloster bei Wernigerode (Taxe 250 000 Franken). Die erste Ausgabe eines gedruckten mathematischen Lehrbuches von Euklid aus dem Jahr 1482 umfasst 500 Diagramme und steht exemplarisch für das beachtliche Angebot wissenschaftshistorischer Glanzstücke in der Auktion (Taxe 120 000 Franken).

In der Abteilung „Barock und Aufklärung“ fallen Briefe der Königin Christina von Schweden, die Descartes an ihren Hof einlud und ein – ungemein seltenes – Handschreiben Descartes’ an Constantin Huygens (Taxe 180 000 Franken) aus dem Rahmen. Friedrich der Große ist mit drei Losen – darunter ein Handschreiben an Voltaire – glanzvoll präsent (Taxe 20 000 Franken). Kant, Leibniz, Lessing – keiner fehlt. Besonders interessant ist aber ein handschriftlicher Brief von Nicolas Malebranche an den Naturwissenschaftler Louis de Puget über wissenschaftliche Probleme (Taxe 15 000 Franken). Nur wenige Zahlenreihen Sir Isaac Newtons sind auf 36 000 Franken geschätzt.

Kaum noch zu überbieten ist die Sammlung aus dem Zeitalter Goethes. Angefangen mit einem eigenhändigen Brief Beethovens an den Sänger F. S. Mayer wegen der Fidelio- Aufführung im Theater an der Wien (Taxe 60 000 Franken) über drei allein wegen ihrer Orthographie köstliche Briefe Blüchers – darunter der vom 29. Dezember 1813 mit dem berühmten Satz: „will ich in diesen Stolzen Strohm alle knechtschaft ab waschen...“ – bis hin zu Goethes Gedicht „bei Betrachtung von Schillers Schädel“ (Taxe 80 000 Franken). Einen weiteren Höhepunkt bilden sechs Briefe Schillers an seinen Freund Christian G. Körner und fünf Antwortschreiben (Taxe 350 000 Franken). Auch Mozarts Entwurf der ursprünglichen Fassung von Rezitativ und Arie der Susanne aus den „Nozze die Figaro“ darf hier nicht unerwähnt bleiben, denn seine Musikhandschriften sind inzwischen überaus selten und kostbar (Taxe 280 000 Franken).

Die chronologische Anordnung – sonst werden Literatur, Musik, Geschichte in getrennten Abteilungen angeführt – hat einige Überraschungen zur Folge, etwa folgt auf die 50 Briefe Napoleons an den Kriegsminister Clarke (Taxe 60 000 Franken) ein Schreiben von Novalis an dessen Bruder – auch dieser eine Rarität, galt er doch lange als verschollen (Taxe 12 000 Franken).

Im späten 19. Jahrhundert fallen neben Briefen Annette von Droste-Hülshoffs (Taxen zwischen 8000 und 12 000 Franken), zwei Briefe Fontanes (Taxe 4000 und 3500 Franken) und vor allem Fontanes Gedicht „Havelland“ aus dem Vorwort zu den „Wanderungen“ auf (Taxe 7000 Franken). Es sieht so aus, als habe sich der Preis für Handschriften Fontanes seit Günter Grass’ „Ein weites Feld“ noch einmal vervielfacht. Einen weiteren Höhepunkt bildet das kaum je im Handel gewesene Gedicht „Nachtgedanken“ von Heinrich Heine, das mit dem oft zitierten Satz „denk ich an Deutschland in der Nacht“ beginnt (Taxe 160 000 Franken), etwas niedriger angesetzt sind fünf Verse aus „Deutschland – ein Wintermärchen“ (Taxe 36 000 Franken) und ein Brief Heines an seinen Verleger Campe (20 000 Franken).

So manche Kuriosität hat ihren Weg in diese ungewöhnliche Auktion gefunden, wie der Reisepass von Albert Einstein (Taxe 20 000 Franken) oder ein mit Adler und Fahnen dekoriertes Dokument, das die Signatur von Abraham Lincoln trägt und Warren Miller zu einem hohen militärischen Posten ernennt (Taxe 16 000 Franken). Und nicht nur Bayernfreunde dürfte ein Indiz für die Schnelllebigkeit der Liebe interessieren: Auf einen Liebesbrief König Ludwigs II. an seine Braut Sophie Herzogin von Bayern (Taxe 22 000 Franken) folgt nur wenige Monate später der Abschiedsbrief (Taxe 256 000 Franken).

Iring Fetscher

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