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Jean-Michel Basquiat: Der Junge aus Brooklyn

Wiederkehr einer Legende: Basel würdigt den früh verstorbenen amerikanischen Malerstar Jean-Michel Basquiat.

Die Gegensätze könnten kaum größer sein. Draußen weidet das Vieh im Wiesengrund. Drinnen tosen expressive Metropolenbilder: Die Fondation Beyeler im idyllischen Basler Vorort Riehen zeigt Europas erste Retrospektive des früh verstorbenen amerikanischen Malerstars Jean-Michel Basquiat. „Hollywood Africans“, 1983, Acryl und Ölkreide auf Leinwand ist da zum Beispiel zu sehen, ein Farb-, Figuren- und Zeichengewitter im Großformat, zwei mal zwei Meter, laut, aggressiv, eine Malerei, die einen heute noch angeht.

In diesem Jahr hätte Basquiat seinen 50. Geburtstag feiern können. 1988 starb der Junge aus Brooklyn nicht einmal 28-jährig an einem Drogenmix in seinem Loft an der Great Jones Street in New York. Schon zu Lebzeiten war Jean-Michel Basquiat Legende. „Meistens wird mehr über mich als über mein Werk geschrieben“, bedauerte er 1985 in einem Interview gegenüber Tamara Davis. Sie hat nach Julian Schnabel und Glenn O’Brien kürzlich bereits den dritten Film über Basquiat herausgebracht. Tatsächlich war das Leben des Sohns karibischer Einwanderer schnell und atemberaubend. Wer steigt schon vom schwarzen Straßenjungen und Junky über die Musik und Graffiti bis zu Andy Warhol in den Olymp der New Yorker Kunstszene auf? Mit Warhol ging er, vermittelt durch den Züricher Galeristen Bruno Bischofberger, produktive Kollaborationen ein. In gerade einmal acht Jahren entstanden rund 1000 Gemälde und über 2000 Zeichnungen. 1982 war er als jüngster Künstler auf der Documenta 7 vertreten.

Auch wenn das Werk also nur schwer von der schillernden Persönlichkeit zu trennen ist, bemüht sich nun die Basler Retrospektive mit trockenem Humor und Ernst um eine angemessene Würdigung Basquiats jenseits der Mythen und Verklärung. Mit über 100 Werken, zum Großteil aus Privatbesitz, bietet man einen großzügig gehängten chronologischen Parcours, den man jedoch nach Lust und Laune nach rechts und links verlassen darf, ohne den Anschluss zu verlieren. Dem Besucher erschließt sich in jedem Fall ein komplexes, spannendes und nach wie vor provozierendes Werk.

Aufgeräumt wird dabei mit dem Mythos vom Graffiti-Künstler, der auf einmal zu Öl und Leinwand greift. Vielmehr entwickelten sich in den Anfängen zeichnerische Gesten und collagierte Farbfelder auf Kartons oder Papier autonom zu Parolen und Tags, die der junge Basquiat unter dem Kürzel SAMO© an New Yorker Hauswände sprayte. Da beeindruckt die mit einem Teppich aus Worten und Zeichen übersäte monumentale Arbeit „Pegasus“ von 1987. Nur der obere Rand ist im Gegensatz zum filigranen Ornament tiefschwarz in Acryl übermalt.

Schon in frühen Arbeiten recken sich dem Betrachter gewaltige Strichmännchen mit Heiligenscheinen und Königskronen in Siegerposen entgegen, Archetypen der amerikanischen Deliberation-Bewegung. Der schwarze Schwergewichtsboxer Joe Lewis und der Jazztrompeter Charly Parker gehörten zu seinen oft zitierten und in wilden Propagandabildern verewigten Heroen. Rauschenberg, Twombly und Dubuffet sind seine erklärten Vorbilder. Immer wieder beschäftigt ihn die menschliche Figur.

Im letzten großen Saal wird so die Aufmerksamkeit unwillkürlich auch auf „Joe“, den schwarzen Koch gelenkt, der auf einem Format von drei auf zweieinhalb Metern mit großen Augen und viel zu großem Käppi eine viel zu kleine Bratpfanne schwenkt. Eine treffende Ikone für den kleinen Mann, dem im Land der Träume die große Welt versagt blieb.

Basquiat hat sich die große Welt kurz gezeigt. In Basel sind zumindest seine Werke im Parnass angekommen. Und damit dies ewig so sei, wacht im Gemälde „The Field Next to the Other Road“ gleich im Foyer ein heiliger, wilder Mann darüber, neben ihm eine veritable Kuh.

Fondation Beyeler, Basel-Riehen, bis 5. September; Katalog (Hatje Cantz) 68 CHF.

Max Glauner

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