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© DAVIDS/Darmer

Jean Michel Jarre: Hinter den Tastenbergen

Jean Michel Jarre spielt in der Max-Schmeling-Halle. Seine Musik zeichnet sich durch ihre zartgliedrige Leichtigkeit aus. Umso mehr schmerzt es, dass die Technik dem Meister so dermaßen viel Feuer unter den Töpfen macht:

Seltsamer Dunst hing in der Max-Schmeling-Halle an diesem Freitagabend. Während drinnen die ersten Gäste das Dampfgebläse links neben der Bühne beäugten, suchten draußen die letzten noch Parklücken. Den Nummernschildern nach waren viele aus Sachsen-Anhalt und Brandenburg darunter. Wohl jene, die 1984 die vom DDR-Plattenlabel Amiga herausgebrachte Lizenzpressung der „Musik aus Zeit und Raum“ gekauft hatten und seitdem zwar nicht unbedingt den Namen Jean Michel Jarre aussprechen konnten, aber zumindest wussten, dass auch mit einem Plattenspieler aus sozialistischer Produktion intergalaktische Klangerlebnisse möglich sind.

Um kurz nach acht kommt Jarre federnd auf die Bühne. Mit weißen Zähnen und jugendlichem Lachen strahlt der 61-Jährige ins Publikum, bevor er sich über die aufgebauten Tastenberge beugt. Drei Kollegen haben hinter weiteren holzfurnierten Uralt-Orgeln Platz genommen. Ein Knopfdruck lässt den Basswind des „Oxygène“-Intros aufbrausen, dass den Leuten die Hosenbeine flattern. Scheinwerfer zucken wie früher in der Disko. Jarre hechtet zwischen seinen Gerätschaften hin und her wie ein Koch, der vier Töpfe auf dem Herd zu betreuen und ungefähr 40 Gewürze zu kombinieren hat. Der Chef de cuisine dreht hier, um eine akustische Seifenblase ploppen zu lassen, drückt da, um eine neue Melodie anschwellen zu lassen und hämmert dort, um ein Pfffft in die Halle zu pusten. Zusammen ergibt das tatsächlich diese einmalige Jarre-Musik.

Sie zeichnet sich gerade durch ihre zartgliedrige Leichtigkeit aus. Umso mehr schmerzt es, dass die Technik dem Meister so dermaßen viel Feuer unter den Töpfen macht: Die Lautstärke mag zum Highway to Hell passen, aber nicht zu diesen Klängen, die sich eher in der oberen Troposphäre bewegen und nun in der Basshölle versinken.

Die Leute sehen geradezu erleichtert aus, wenn mal wieder eine dieser Melodien die Oberhand gewinnt, die sie durch einen Großteil ihres Lebens begleitet und nie losgelassen haben: „Magnetic Fields 2“, „Equinoxe 4“, „Rendez-Vous 4“. Letzteres hat Jarre in Houston vor mehr als einer Million Menschen gespielt. In der Halle hat er zwar keine Wolkenkratzer als Projektionsfläche für seine Show zur Verfügung, aber eine etwa zehn mal 40 Meter große Leinwand. Auf der tanzen mal die komischen Vögel mit ihren Ferngläsern vom „Equinoxe“-Plattencover und mal Jarres Finger auf der Tastatur, von einer Kamera übertragen und von gewaltigen Lasern umrahmt. Die werden erst im Dunst richtig beeindruckend. Sie bilden einen hübschen Rahmen zu dem unvermeidlich nur mäßig spektakulären Anblick der vier klimpernden Herren.

Beim ungemein tanzbaren „Chronologie 6“ hält es endlich auch all die Leute nicht mehr auf ihren Stühlen, die vorher dort etwas verschüchtert saßen. Mit einer besseren Akustik hätte Jarres Show grandios werden können. So konnte man wenigstens mal ihrem Schöpfer bei der Arbeit zusehen.

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