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Kultur: Jenseits der Peinlichkeit

Kulturstaatsministerin Christina Weiss entwirft ein neues Filmfördergesetz – und die Branche streitet sich wieder

Als Kulturstaatsministerin Christina Weiss am Mittwoch ihren Entwurf zum neuen Filmfördergesetz vorstellte, wartete sie mit einer Überraschung auf: Der Streit mit den TV-Sendern über eine Erhöhung ihrer Förderabgabe sei endlich beigelegt. ARD und ZDF würden ihren Einsatz bei der Filmförderanstalt (FFA) von 5,6 Millionen auf 11,2 Millionen Euro erhöhen, entsprechend stocken die Privaten mit Sachleistungen wie Werbetrailern auf. Wenn dann noch die Kino- und die Videobranche ihre Abgaben wie vorgesehen um je ein Umsatz-Prozent erhöhen, könnte die FFA mit Inkraftreten des Gesetzes ab 1.1.2004 jährlich 95 Millionen Euro vergeben. Das sind rund 26 Millionen mehr als bisher.

Also tatsächlich ein Durchbruch, passend zu den jüngsten Erfolgsnachrichten vom Kassenhit „Goodbye Lenin!“ und dem Oscar für „Nirgendwo in Afrika“? „Das ist ein Riesenfortschritt“, freut sich FFA-Chef Rolf Baer. Eine Einigung mit den Sendern Monate vor Verabschiedung der Novelle – das sei neu in der Geschichte der deutschen Filmpolitik. Einigung? Die gibt es bislang nur mit den Öffentlich-Rechtlichen. Die Privaten bestreiten jede feste Zusage: Es habe lediglich „ein erstes, gutes Gespräch“ gegeben. Halbwegs einig sind sich Produzenten, Förderer und Verbände allerdings über die geplante Veränderung der Referenzfilmförderung. Bisher wurden Filme mit mehr als 100000 Zuschauern automatisch gefördert; die Schwelle soll nun auf 150000 (bei Dokumentarfilmen von 25000 auf 50000) heraufgesetzt werden. Gleichzeitig können erstmals Preise und Festivaleinladungen geltend gemacht werden: Der kulturelle und der Publikumserfolg schlagen künftig also deutlicher zu Buche. Gut so, meint Produzent Eberhard Junkersdorf von der AG Spielfilm – und bangt wegen der Erhöhung der Mindestbesucherzahl dennoch um den Film als Kulturgut. Zugleich bezweifelt er, ob das Mehr an Geldern für die neuen Maßnahmen ausreichen wird.

Die Produzentenvereinigung „film 20“, der auch Bernd Eichinger angehört, freut sich hingegen über den „Schub nach vorne“. „Die Ablehnungsfront der Sender ist überwunden“, meint „film 20“-Präsidentin Georgia Tornow und betont, dass die Sender alleine 2002 mit 1294 gezeigten deutschen Filmen ja keine Mäzene, sondern Nutznießer seien. Wichtig für das Branchenklima sei dabei eine Ausbalancierung der Zahlungen. In der Tat werden die Sender nach wie vor erheblich weniger zur Kasse gebeten als etwa in Frankreich; und die Hauptlast der Erhöhungen verbleibt mit circa 15 Millionen Euro auf den Schultern der krisengeplagten Branche. Eine Abgabenerhöhung von Kino- (bisher 1,5 – 2,5 Umsatz-Prozent) und Videowirtschaft (1,8 Prozent) um je ein Prozent kommt einer faktischen Erhöhung von mehr als 50 Prozent gleich. Also sollten sich, so Tornow, „auch die Sender mit einem Beitrag jenseits der Peinlichkeitsgrenze beteiligen“.

Bis zum 23. April hat die Branche Zeit für Stellungnahmen. Steffen Kuchenreuther, Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, und Joachim Birr vom Bundesverband für Audiovisuelle Medien bringen schon jetzt gegenüber dem Tagesspiegel ihr „Erstaunen“ über die „ehrgeizigen Pläne der Ministerin“ zum Ausdruck. Kuchenreuther nennt sie eine „Kriegserklärung“: Die Umsatzschwächsten würden am stärksten belastet, die Ministerin habe „keine Ahnung von Mathematik“. Besonders erbost ihn die Verrechnung der Abgaben in Werbeminuten bei den Privaten: Die Kinos stellen ihr Abspiel von Werbetrailern bislang nicht in Rechnung. Notfalls erwäge man eine Verfassungsklage wegen Ungleichbehandlung der Spielfilmnutzer. Bündnis für den Film, hin oder her: Gesprächsbedarf gibt es offenbar immer noch.

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