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Kultur: Jenseits des Kölner Lochs

Mit jungen Künstlern erfinden sich die renommierten rheinischen Galerien immer wieder neu

Wenn es in den Galerien momentan sehr ruhig ist, liegt das nicht am Niedergang des Kölner Kulturlebens, sondern allein an den Ferien. Hinter geschlossenen Türen wird längst der Saisonstart nach der Sommerpause vorbereitet. In der Galerie von Rolf Ricke etwa, die bereits ihr vierzigjähriges Jubiläum feierte. Noch immer ist der Galerist, der Richard Artschwager, Richard Serra oder David Reed nach Deutschland holte, neugierig auf neue Entwicklungen und plant momentan eine Gruppenausstellung mit Neuentdeckungen. Auch die Galerie von Christian Nagel hat bereits Kunstgeschichte geschrieben. Anfang der Neunzigerjahre debütierte dort eine ganze Generation neokonzeptueller Künstler. Er verstand es, sperrigen und intellektuell anspruchsvollen Positionen wie Mark Dion oder Andrea Fraser den Weg zu bereiten. Mittlerweile zeigt auch Nagel schon einmal Malerei, bereitet aktuell etwa die erste Einzelausstellung des jungen Städelschülers Andreas Diefenbach vor. Und die Junggaleristen Jörn Botnagel und Yvonne Quirmbach sind gar nicht in die Sommerfrische gefahren, sondern überwachen eine Baustelle: die Vergrößerung des ehemaligen Ladenlokals „BQ“, wo sie erfolgreich Künstler wie Bojan Šarcevic und David Shrigley in Köln vorstellten.

Rolf Ricke, Christian Nagel und BQ stehen für drei Generationen, die von Köln aus international agieren. Längst konzentriert sich die Szene nicht mehr allein aufs Zentrum, obwohl auch dort nach wie vor rund 30 hochrangige Ausstellungen zu besuchen sind. Neben den etablierten Galerien Buchmann, Jablonka, Rivet oder Capitain platzierten sich jüngst auch Neugründungen wie Frehrking Wiesehöfer oder die ehemalige Künstlerin Linn Lühn, die mit Raphael Jablonka kooperiert und in ihrem kleinen White Cube junge Düsseldorfer vorstellt.

Man ist verwöhnt in Köln, eine viertelstündige Fahrt in den Süden wird schon als Reise empfunden. Die dort ansässigen Galerien wie Johnen & Schöttle oder Thomas Rehbein haben daher eigene Eröffnungstage ins Leben gerufen. Wobei allein schon die neuesten Bildtafeln von Andreas Gursky in der Galerie Monika Sprüth/Philomene Magers die Fahrt wert sind (bis 16. Oktober). Und auch im Vorort Riehl haben sich Galeristen in einem ehemaligen Umspannwerk vereint: Hammelehle & Ahrens, Sabine Schmidt, Vera Gliem und Luis Campaña.

Näher zum Dom hin liegen die musealen Räume von Michael Werner, Karsten Greve oder der Galerie Kewenig, die momentan Mario Merz eine großzügige Hommage ausrichtet und einen der späten Iglus (650000 Euro) des Altmeisters der Arte Povera zeigt (bis 28. August). Im Nachbarhaus trifft man auf eine der umtriebigsten Galerien in Köln: Daniel Buchholz versammelt aktuell eine überaus sehenswerte Standortbestimmung mit Tomma Abts, Michael Hakimi, Jutta Koether oder Katharina Wulff (bis 30. August). Michael Janssen mit gutem Draht nach Los Angeles, hat sicherlich die schönsten Räume in Köln: Die ehemalige Tanzschule beherbergt demnächst Gemälde des Japaners Yoshitaka Amano.

Im Rathaus wird die Bedeutung der Kunstszene nach wie vor unterschätzt. Die Brache am Neumarkt, wo Kunsthalle und Kunstverein standen, ist mittlerweile als „Kölner Loch“ bekannt. Eine gleichnamige Bürgerinitiative, die maßgeblich von Kulturschaffenden und Galeristen getragen wird, bemüht sich um die Errichtung und Finanzierung einer „Europäischen Kunsthalle“. Für den Herbst organisiert die Initiative eine Auktion gespendeter Kunstwerke. Der Erlös soll einen Kurator finanzieren. Solches Engagement hat lokale Tradition, ohne die Ende der Sechzigerjahre nicht der erste „Neumarkt der Künste“ entstanden wäre, aus dem später die erste Kunstmesse der Welt hervorging. Mittlerweile in die Jahre gekommen, hat sich die Art Cologne mit Gérard Goodrow einen umtriebigen künstlerischen Leiter an Bord geholt und umwirbt die Sammler ab jetzt mit dem Untertitel „New Art“ und verstärkt zeitgenössicher Ausrichtung.

Ein altes Sprichwort behauptet: „In Düsseldorf werden die Künstler ausgebildet und in Köln verkauft“. Da schwingt wohl eine Portion Lokalpatriotismus mit, denn auch an der Düssel gibt es engagierte Bemühungen um die Szene: So haben die Newcomer Sies & Höke stets junge Positionen aus der Akademiestadt mit internationalen Positionen kombiniert. Auf der Suche nach Neuem sollte man unbedingt nach Bilk fahren: Im Galerienhaus in der Kronprinzenstraße haben sich die Galeristinnen Helga Conrads, Ursula Walbröl sowie Marion und Roswitha Fricke zusammengeschlossen. Mit der Galerie Konrad Fischer verbinden sich Namen wie Sol LeWitt, Carl André oder Lawrence Weiner, die man in Düsseldorf in den Siebzigerjahren erstmals in Europa sah. Nach dem Tod des Galeristen gelingt es auch Dorothée Fischer, junge Positionen zu finden, die neben den Klassikern bestehen können – zuletzt mit dem Debüt des begnadeten Zeichner Zon Ito. Im September, wenn die Kunstszene wieder erwacht, eröffnet sie mit Malerei von Magnus von Plessen.

Matthias Krajewski

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