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Kultur: Jérôme Bels "The Last Performance" beim Berliner Festival

"The Last Performance" - diese letzte Vorstellung, die Jérôme Bel im Theater am Halleschen Ufer einläutet, meint zugleich das Ende des Tanzes, zumindest unseres herkömmlichen Verständnisses von Bühnenkunst. Jérôme Bel hat sich der Konzept-Kunst verschrieben, und dass er diese auf die Bühne überträgt, sorgt immer wieder für Irritationen.

Von Sandra Luzina

"The Last Performance" - diese letzte Vorstellung, die Jérôme Bel im Theater am Halleschen Ufer einläutet, meint zugleich das Ende des Tanzes, zumindest unseres herkömmlichen Verständnisses von Bühnenkunst. Jérôme Bel hat sich der Konzept-Kunst verschrieben, und dass er diese auf die Bühne überträgt, sorgt immer wieder für Irritationen. Susanne Linke, die große deutsche Solotänzerin, überließ dem Franzosen einen Auszug aus ihrem Solo "Wandlungen", das sie 1978 zu Musik von Schubert schuf. Dieses Vier-Minuten-Stück wird von Bel nun zitiert und vervielfältigt. Nacheinander wird es von jedem seiner vier Darsteller in weißem Kleid getanzt: zunächst von Claire Haenni, es folgen Frédéric Seguette, Antonio Carallo und Bel selber. Eingeleitet wird das Solo jeweils durch den Satz "Ich bin Susanne Linke".

Nicht nur ein behaartes Männerbein stellt diese Aussage wiederholt in Frage - zumal die Urheberin dieses Solos im Publikum sitzt. Kein Original wird hier präsentiert, sondern vier falsche Susannen. Bel nimmt das choreographische Material, zeigt die Passage durch vier verschiedene Körper. Nicht die Linke-Expressivität wird hier angestrebt, und doch finden die Tänzer zu ungewohntem Ausdruck. Untersucht wird: Was bleibt und was verändert sich, wenn ein Werk tradiert, zitiert und reproduziert wird. So ist der Abend weniger eine Verbeugung vor Susanne Linke, Bel versucht sich in einer Duchamp-Geste, verneigt sich vor Andy Warhol. Was ein Kunstwerk durch seine Reproduzierbarkeit verliert, zeigt eine andere Szene: ein Tänzer hört sich die Musik über einen Walkmans an, für das Publikum vernehmbar ist nur ein Summen. Begonnen hatte der Abend mit Jérôme Bel als Jérôme Bel. Weiterhin traten auf: Hamlet und Andre Agassi, die unverwüstliche Theater-Ikone und der Medienheld. Mit der einführenden "Ich bin. . ."-Formel ( die bald ihre Negation in "Ich bin nicht. . ." erfährt) wird sogleich die Identitätsfrage in den Raum gestellt - nur um alle Gewißheiten infrage zu stellen. Später tritt Jérôme Bel als Hamlet auf, der sich als Calvin Klein entpuppt - zumindest seine Unterhose weist ihn so aus.

Hier knüpft Bel an sein Stück "Shirtologie" an: unter jedem T-Shirt, das er sich über den Kopf zog, kam ein weiteres Hemd mit Beschriftung und Markenzeichen zum Vorschein. Der Körper ist Zeichenträger und Werbefläche, hinter Codes und Reklame verschwindet das Individuum. Der Performer ist nicht selbst Produzent dieser Zeichen. Bel - stößt auch in "The Last Performance"immer nur auf Bezeichnetes, auf bereits beschriftete Wirklichkeit. Er wirft erneut Fragen auf, die in der Bildenden Kunst schon vor Jahrzehnten verhandelt wurden, doch diesmal hat seine Arbeit etwas ermüdend Lehrstückhaftes.

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