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Kultur: „Jetzt hört man mir zu“

Patriotismus und Aufklärung: ein Gespräch mit der arabisch-amerikanischen Schriftstellerin Elmaz Abinader

Frau Abinader, Sie sind eine arabischamerikanische Künstlerin. Fühlen Sie sich zurzeit mehr als Araberin oder als Amerikanerin?

Ich bin Aktivistin und ich bin gegen den IrakKrieg. Daraus mache ich kein Geheimnis.

Sie sind keine Patriotin? Die kürzlich erschienene Essay-Sammlung „Writers on America – 15 Reflections“, in der Sie auch einen Aufsatz veröffentlicht haben, wurde als allzu patriotisch kritisiert…

Mein Essay hat wenig mit Patriotismus zu tun. Ich bin als Araberin in den USA aufgewachsen, diskriminiert zu werden, gehörte für mich zum Alltag. Wir lebten in einer Kleinstadt, in der die meisten Leute uns nicht besonders mochten. Der Essay beschreibt die Reise von diesem Ort, an dem ich abgelehnt wurde, zu mir selbst. Ich erklär Ihnen mal, wie ich einen Patrioten definiere: Ein Patriot ist ein Bürger, der sich aktiv an der Demokratie beteiligt. Wenn Sie als Patrioten bezeichnen, wer jede Entscheidung der Regierung billigt, dann bin ich keiner.

Befinden Sie sich als arabischstämmige US-Amerikanerin nicht trotzdem in einem Widerspruch?

Es ist eher eine doppelte Existenz. Ich finde mich zurzeit in zwei Rollen wieder. Die eine hat mit meinem arabischen Aussehen zu tun: Deshalb glauben die Menschen, in mir stecke das Böse. Ich bin ein Ziel ihrer Furcht und Ablehnung. Es interessiert sie nicht, dass ich nicht einmal die Sprache spreche: Meine Eltern sprachen nur Arabisch mir mir, wenn sie mit mir schimpften. Die andere, positivere Rolle besteht darin, die Menschen aufzuklären.

Aufklärung über den arabischen Kulturkreis?

Ja. Das Interesse ist seit dem 11. September enorm gestiegen. Die meistgestellte Frage lautet: Warum haben uns die Attentäter gehasst? Ich bin eine sichere Adresse für diese Frage. Ich bin Amerikanerin, bin hier erzogen worden, aber ich reise oft in den Nahen Osten, ein Teil meiner Familie lebt dort.

Und was ist die Antwort?

Dass der Anschlag auf das World Trade Center uns anregen sollte, über die amerikanische Politik im Mittleren Osten nachzudenken. Sollen wir dort wirklich so stark intervenieren? Und wenn ja, sollten wir unser Hilfe nicht ausbalancieren, statt in wechselnden Allianzen mal die eine, mal die andere Gruppe zu unterstützen? Wir Amerikaner haben in dieser Region viel Vertrauen verspielt. Es klingt seltsam, aber für mich ist die jetzige Zeit wie ein Geschenk. Seit Jahren versuche ich, im westlich-arabischen Dialog zu vermitteln; jetzt hört man mir endlich zu.

Man hört viele Berichte über Feindseligkeiten gegenüber arabischen Amerikanern ...

Diese Bericht treffen zu. Die Feindseligkeiten gehen meist von eher Ungebildeten aus, von Leuten, die mehr fernsehen als Bücher lesen. Und sie richten sich vor allem gegen die, die muslimische Trachten, Kaftane oder Bärte tragen, oder die in die Moschee gehen. Die Menschen setzen solche Äußerlichkeiten mit etwas gleich, das sie seit dem 11. September fürchten. Das ist eine der hässlichsten Seiten der amerikanischen Kultur: Sobald die Menschen die Möglichkeit sehen zu hassen, ergreifen sie sie.

Haben Sie selbst in letzter Zeit schlechte Erfahrungen machen müssen?

Ich lebe in Oakland bei San Francisco, das ist eine der liberalsten Gegenden der USA. Die Proteste gegen den Krieg reißen dort nicht ab, und ich fühle mich da sehr geborgen. Seltsamerweise ist die Situation für mich sogar eher angenehmer geworden: Vor dem 11. September wurde ich am Flughafen als einzige aus der Menge herausgepickt und kontrolliert. Ich habe mich jedes Mal entsetzlich gefühlt. Jetzt stehen alle unter Verdacht.

Trotzdem ist es in den USA unpopulär, gegen den Krieg zu sein. Spüren Sie als Künstlerin Anzeichen von Zensur?

Wir alle sagen, was wir wollen. Aber nicht jeder Künstler hat die Chance, gehört zu werden. Die Beschränkung ist aber eher wirtschaftlicher Natur. Für Verleger sind zwei Araber interessant im Programm, zwei Afroamerikaner und zwei Chinesen. Mehr „Ethno“ ist ihnen schon zuviel.

Versuchen Sie, mit Ihrer Literatur zwischen Amerikanern und Arabern zu vermitteln?

Als Schriftstellerin versuche ich, ein Bild vom anderen zu vermitteln. In meinen Essays, Gedichten und Theaterstücken geht es zum Beispiel um das Leben unter der Besatzung. Oft basieren meine Werke aber auch auf weniger konkreten Ereignissen. Vor dem Krieg zum Beispiel habe ich zwei Gedichte über den Horror des Wartens verfasst.

Und über den Irak-Krieg selbst?

Darüber kann ich jetzt noch nicht schreiben. Die Stimulanz der Bilder, die Diskussionen und Protestaktionen absorbieren zu viel von meiner Kraft. Ich betrachte die Fernsehbilder – und die Opfer, die Kinder, die Frauen, sie sehen aus wie ich. Das wühlt mich auf. Zum Schreiben brauche ich mehr Distanz.

Das Gespräch führte Christine-Felice Röhrs.

Abinaders Essay findet sich unter www.http://usinfo.state.gov/products/pubs/writers/abinader.htm

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