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Kultur: Jetzt ist der Maler in ihm an der Reihe: Achim Freyer zeigt Köpfe und Körper

Er kann nicht stillsitzen. Achim Freyer hält es einfach nicht lange aus.

Er kann nicht stillsitzen. Achim Freyer hält es einfach nicht lange aus. Woher soll ein Gesamtkunstwerker wie er auch Zeit hernehmen, um die Hände in den Schoß zu legen? Als "Theatervisionär" und "Theatererfinder" viel gerühmt, als Regisseur wie Bühnenbildner ein Begriff, trat vor einem Jahrzehnt der Maler Freyer aus dem Kulissenhintergrund. Zur allgemeinen Überraschung teilte der mit, dass die bildende Kunst seine eigentliche Passion sei: als Zeichner, Grafiker und Maler. Ein schalkhaftes Understatement schwingt mit, wenn er betont, dass ihm das Theater zwar einen hochgeschätzten Freiraum biete, sich aber zum Geldverdienen besser eigne. Dort das Theater, hier das Atelier. Freyer besteht auf klare Trennung. Überdies gibt es: den frühen Puppentrickfilmer, den Filmemacher. Den Performer, Schöpfer von Environments, Klangkünstler. Nicht zu vergessen den Plastiker, Keramiker und neuerdings Stahlbildhauer.

Der Maler Freyer hat einen Vorsatz gefasst. Im Jahresturnus verordnete er sich und seiner Kunst einen kontinuierlichen Neuanfang. Denn: "Bei Bildern gilt es immer wieder aufs Neue, den Ausdruck für jenen Zustand zu finden, der zu eben diesem Zeitpunkt gerade zu mir gehört." Im Willy-Brandt-Haus kann er selbst auf zwei Galerieetagen nur eine kleine Auswahl der vergangenen vierzig Jahre zeigen. Doch es sind genug, um zu sehen, dass er seinem Vorsatz treu geblieben ist. Bei aller stilistischer Vielfalt bleibt seine Handschrift erkennbar. In Anbindung an seine Autobiografie sind sie immer auch verknüpft mit Theatergeschichte und -geschichten.

Freyer malt keine Figur auf einem Stuhl, sondern wie es ist, auf einem Stuhl zu sitzen: Steif und erstarrt sind die Körper, manche wirken wie Mumien, denen die Glieder zu Fesseln werden. "Gefangenschaft im Leben", wie Freyer es nennt. Die Bilder zeugen von der Sehnsucht nach Ruhe, der Losgelöstheit von Erdenschwere. Zugleich wird eine innere Enge spürbar, die Vorstellung des Eingeschnürtseins. Diese Blätter entstanden in den späten 70er Jahren, nachdem er die DDR verlassen hatte - unter dem Eindruck einer erneuten, wenn auch anderen gesellschaftlichen Normierung im Westen. Vor allem Köpfe, Kopflandschaften, Kopfkonstrukte, Masken und Totenschädel gehören zu seinem Zeichenrepertoire. Bei der Gouacheserie "Individuen" von 1997 erscheinen die Maskenköpfe in expressiven Farben. Die Arbeiten mit Pastellkreide von "In hora mortis" von 1996 auf schwarzer Pappe (ein Jahr später) erinnern an Dubuffet. Auch das Fensterkreuz steht für eine verengte, genormte Welt. In seinen jüngsten Bildern reduzieren sich die Köpfe und Körperfragmente, in klaren Primärfarben schwebend, auf wenige Linienkürzel. Freyer legt ihnen nun ein abstraktes Gerüst von Linien und Farbfeldern zugrunde, das an Mondrian erinnert. Und da ist dann noch der Mensch, dessen verquerer, widerspenstiger Kopf sich in die Ordnung fügen soll und sie doch nachhaltig stört. Er wolle "extreme Gegenpole suchen, zwischen denen Erkennen möglich wird", hat Freyer einmal gesagt. Der Maler und der Theatermacher gehen bis heute Hand in Hand.Willy-Brandt-Haus, Stresemannstraße 28, bis 23. Januar; Dienstag bis Sonntag 12-18 Uhr, Freitag bis 20 Uhr.

Elfi Kreis

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