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Die Welt zu Gast. Joachim Sartorius im Foyer des Hauses der Berliner Festspiele.

© imago/David Heerde

Joachim Sartorius zum 70.: Das Lächeln des Dichters

Joachim Sartorius, ein Freund der Künstler, wird 70. Und er veröffentlicht einen neuen Lyrikband.

Er ist sehr viel in der Stadt unterwegs, als Kurator des Hauptstadtkulturfonds beobachtet er die Szene in den großen und den kleinen Häusern. Diese Tätigkeit, die gewiss einige Langmut und Ausdauer verlangt, rekurriert auf seine Zeit als Intendant bei den Berliner Festspielen, Generalsekretär beim Goethe-Institut und zuvor Berliner Gastgeber beim DAAD. Auch da wirkte Joachim Sartorius spartenübergreifend, moderierend, anregend. Stets freundlich, verbindlich, ein Freund der Künstler, ein Herr in einem offenen Haus.

Und immer ist er in der Welt unterwegs, auf Lesereise und Literaturfestivals; für die „Eventi Letterari“ auf dem Monte Verità stellt er das Programm zusammen. Der Himmel ist herrlich blau im April in Ascona und das Thema in diesem Jahr „Utopie und Liebe“.

Neuerdings zieht es ihn häufiger nach Siracusa. Schon immer hat die sizilianische Stadt die Dichter inspiriert. Und wenn Joachim Sartorius auch in Fürth geboren wurde, getauft ist er mit Mittelmeerwasser. Er wuchs in Tunis auf, hat eine Monografie über Alexandria publiziert, Sehnsucht weckende Bücher über Zypern und die türkischen Prinzeninseln geschrieben und 2014 die Anthologie „Niemals eine Atempause. Handbuch der politischen Poesie im 20. Jahrhundert“ herausgegeben.

"Für nichts und wieder alles": Sartorius' neuer Lyrikband

Auch sein neuer Gedichtband mit dem schönen Titel „Für nichts und wieder alles“ (Kiepenheuer & Witsch, ca. 90 Seiten, 15 Euro) kündet von Neugier und Unrast und unzähligen Flugmeilen. Die Reise beginnt wieder in Alexandria, der Stadt des Konstantinos Kavafis, den Sartorius gern einmal auf einen Drink in der Altstadt getroffen hätte. Kavafis ist schon lange tot, und so wie der berühmte Grieche in seinen Gedichten hellenistische Poeten und ptolemäische Herrscher beschwor, taucht Sartorius wie ein Archäologe des Sentiments ein in eine Zeit in Ägypten, die nicht unbedingt friedvoller war als die heutige, aber die Hoffnung haben konnte, dass es einmal besser sein würde. Doch haben alle Jahreszeiten bei diesem Dichter etwas Herbstliches. Der Frühling hat sich verdächtig gemacht, nicht nur in Arabien, auch in Tscherkassy am Dnjepr – ukrainischer Blues.

Ein radikaler Melancholiker, das ist Joachim Sartorius

Man gerät bei Sartorius in die Romantik. Aber es ist eine Romantik, die sich dabei beobachtet, wie sie an der Realität zerschellt, wenn sie selbst nicht mehr die Realität sein kann. Die Reise in diesen neuen Gedichten geht weiter über Istanbul („Der Dichter lächelt vor sich hin./Die Leute halten ihn für/verrückt), eine Meditation über eine alte Fotografie von Ara Güler, dem Stadtchronisten vom Bosporus, mit dem Sartorius befreundet ist. Alexandria, immer wieder die Stadt der sagenhaften Bibliothek und des Leuchtturms, des makedonischen Weltreichs: „Pizza Hut und KFC haben den Platz der Bars/genommen, in denen der Dichter verkehrte/und durch verlotterte Griechenländer marschierte./Wir trösten uns mit Katalogen aus dem Regal.“ Das ist kein tiefer Trost für einen radikalen Melancholiker wie Joachim Sartorius, der in Dubai „die tagdunklen Gassen/die Kaffeehäuser der Fischer“ vermisst und das syrische Aleppo, das er aus noch ruhigeren Tagen kennt, als schwarzes Blütenmeer imaginiert: Totenstadt, eine Morgue der Barbaren und ihrer Opfer.

Ein Zyklus in dem Band widmet sich dem brandenburgischen Seebeck. Es klingt vertraut. Nebellandschaft. Pferde. Eine alte Eiche, wie ein „japanischer Caspar David“, und, fast eine Erlösung, ein Idyll: „Schon lodert das Feuer und wir sind/Kinder und Hunde und Freunde und froh“. An diesem Samstag feiert Joachim Sartorius seinen 70. Geburtstag, in einem Land, wie Goethe sagt, „wo die Zitronen blühn“.

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