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Folklady. Joan Baez im März 2010 bei einem Konzert in Burgos, Spanien.

© dpa

Joan Baez: Der Klampf geht weiter

Seit über 50 Jahren steht sie auf den Bühnen der Welt und gibt Konzerte. Als Folksängerin ist sie zu einer Ikone geworden. Am Sonntag wird Joan Baez 70 Jahre alt.

Sie ist eine elegante Erscheinung: schlank und aufrecht, stolz und voller Würde. Eine blendend aussehende Lady mit kurz geschnittenen Silberhaaren, geschmackvoll gekleidet in schlackeriger schwarzer Hose, weißer Bluse, dezentem Make-up. Nichts wirkt falsch an ihr, nichts gekünstelt, überkandidelt oder deplatziert. Der indianische Silberschmuck passt so gut zu ihr wie die kleine edle Akustikgitarre, die sie seit Jahrzehnten spielt, mit feiner Fingerpicking-Technik.

Joan Baez kichert mädchenhaft: Nein, sie könne es selber nicht glauben, dass sie immer noch Platten veröffentlicht und auf den Bühnen der Welt steht, immer noch Konzerte gibt – seit über 50 Jahren. Da können nicht einmal die Rolling Stones oder Leonard Cohen mithalten, allenfalls noch Chuck Berry. Und Bob Dylan? Der war noch relativ unbekannt, als die damals bereits außerordentlich populäre Folksängerin ihn 1963 in Newport zu sich auf die Bühne holte und ihn dann mit auf Tournee nahm. Noch heute singt sie seine Songs: „Farewell, Angelina“, „With God On Our Side“, „It’s All Over Now, Baby Blue“. Wenn auch 1966 schon alles vorbei war, mit der kurzen, aber intensiven Romanze zwischen Joanie und Bobby.

Baez, die aus einer bildungsbürgerlichen Familie stammt, liebte als Teenager lauten elektrischen Rock ’n’ Roll. Doch nachdem sie die schwarze Sängerin Odetta und den weißen Liedermacher Pete Seeger gehört hatte, entwickelte sich ihre Leidenschaft für akustische Folkmusik. Ihre außerordentliche Singstimme schien wie geschaffen für das amerikanische Folk-Revival, das Ende der fünfziger Jahre in Boston und dem nahe gelegenen Cambridge im Bundesstaat Massachusetts zu florieren begann. Nach kleineren Auftritten in den lokalen Coffee Houses stand Baez 1959 als 18-Jährige auf der Bühne des legendären Newport Folk Festivals. Schnell wurde die Sängerin mit den langen schwarzen Haaren zur Queen of Folk und zum Rollenmodell für junge Mädchen, die ein paar Akkorde auf der Gitarre beherrschten.

Mit kristallklarem Sopran und dramatischem Tremolo sang sie Folksongs, Blues, Cowboyballaden, Kinderlieder, Songs der Carter Family und von Woody Guthrie. Und verewigte sie seit 1960 auf mehr als 30 Alben. Ihre Begeisterung für Martin Luther King und ihr Engagement für Gewaltlosigkeit ließen sie zu einer Ikone der amerikanischen Gegenkultur werden. Mit Luther King nahm sie 1963 am „Marsch auf Washington“ teil. Baez protestierte gegen den Vietnamkrieg, unterstützte Kriegsdienstverweigerer, kämpfte gegen Diktaturen jeglicher Couleur.

In den letzten Jahren engagiert sie sich gegen die Kriege im Irak und in Afghanistan, opponiert leidenschaftlich gegen die Todesstrafe. Einen neuen Verbündeten hat sie im texanischen Singer/Songwriter Steve Earle gefunden. Der hat auch ihr jüngstes Album „Day After Tomorrow“ produziert, eine Sammlung feiner Interpretationen von Songs jüngerer Autoren. Was Baez’ Stimme mit den Jahren an Tonumfang verlor, hat sie im Ausdruck dazugewonnen. Der Verlust ihrer schneidenden Schärfe und ihres dramatisch bebenden Tremolos verleiht ihr neue Nüchternheit. Wer sie vor kurzem im Konzert sah, mag kaum glauben, dass Joan Baez heute 70 Jahre alt wird.

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