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Johann Christian Reinhart in Hamburger Kunsthalle: Schrecken in Arkadien

Schon als junger Zeichner virtuos, später dann Hofmaler von Ludwig I und bei seinem Tod 1847 einer der geachtetsten Künstler der deutschen Kolonie in Roma: Der deutsche Landschaftsmaler Johann Christian Reinhart in der Hamburger Kunsthalle.

Vielfach schufen Maler zugleich ein grafisches Werk. Bei Johann Christian Reinhart (1761-1847) verhält es sich umgekehrt. Er wurde als Zeichner und Radierer geschätzt, ehe er sich mit der Malerei eine Technik erschloss, die ihm bedeutender erschien und finanziell einträglicher war. Zeitlebens musste er um den Lebensunterhalt seiner Familie ringen. Erst ab 1825 erhielt er eine schmale Pension des bayerischen Königs Ludwig I., der ihn 1839 bei erhöhtem Gehalt zum königlichen Hofmaler ernennt. Ende desselben Jahres begeht Reinhart sein 50-jähriges Rom-Jubiläum im Palazzo Caffarelli, dem Sitz der preußischen Gesandtschaft auf dem Kapitol. Als er im Juni 1847 86-jährig stirbt, ist er einer der geachtetsten Künstler der deutschen Kolonie.

Seine künstlerische Laufbahn verläuft anders. Mit 18 Jahren geht Reinhart an die Leipziger Akademie und 1782 nach Dresden, tritt als Zeichner hervor und reist als Begleiter eines Duodez-Fürsten an den Rhein. Dort entstehen 1786 erstaunliche aquarellierte Zeichnungen, noch ohne den romantischen Überschwang, der das Sujet des Mittelrheintales im 19. Jahrhundert bis an die Kitschgrenze führte, sondern topografisch genau und doch mit dem Fluidum der „schönen“ Landschaft.

Zu sehen sind diese Blätter jetzt in der Hamburger Kunsthalle in der Ausstellung „Johann Christian Reinhart. Ein deutscher Landschaftsmaler in Rom“. Reinhart, in Hamburgs Sammlung gut vertreten, war bislang noch nie eine Retrospektive gewidmet worden. Andererseits sind seine Werke auf vielen Ausstellungen zu sehen gewesen – und das prominent: Man denke nur an die Übersicht der Münchner Neuen Pinakothek von 2005, „Kennst du das Land. Italienbilder der Goethezeit“ mit den vier staunenswerten Ansichten Roms vom Dach der Villa Malta als Höhepunkt.

Ausgerechnet diese vier Temperabilder fehlen in Hamburg, aus naheliegenden konservatorischen Gründen; sie kommen erst bei der zweiten Station der Ausstellung in der neuen Pinakothek München hinzu. Allerdings vermitteln sie einen etwas schiefen Eindruck. Denn Reinhart war kein Vedutenmaler. Seine Stärke ist die Beobachtung der Landschaft, in der besonders die prächtig wiedergegebenen Bäume die Hauptrolle spielen. Reinharts Genauigkeit ist aus heutiger Sicht kein Gewinn. Man vergleiche nur die beiden Ansichten von Mühlen: die fein und fleißig ausgeführte „Mühle in Glücksbrunn“ von 1788 mit der grandios hingetuschten „Wassermühle mit Holzbrücke und Wehr“ aus derselben Zeit.

Erst 1796 entsteht das erste Ölgemälde, die „Ideale Baumlandschaft mit antiker Staffage“. „Reinhart tritt mit diesem Werk unvermittelt als Maler einer großformatigen arkadischen Landschaft auf“, heißt es im eindrucksvollen Katalog, der das Versäumnis von Jahrzehnten nachdrücklich zu bereinigen sucht, aus der Feder von Mitherausgeber Herbert W. Rott: „Im selben Jahr vollendete Reinhart mit der ,Nächtlichen Sturmlandschaft' ein zweites ehrgeiziges Werk, mit dem er sich als Maler historischer Ideallandschaften exponierte.“

Reinhart wird über den gleich mit seinen Erstlingswerken erreichten Stand seiner Malerei nie hinauskommen, weder von den Sujets her und deren Behandlung noch gar in malerischer Hinsicht. Er ist und bleibt Klassizist, freilich mit antiklassischem Einschlag, wie sich an seinen Karikaturen zeigt.

Geprägt hat ihn die frühe Begegnung und Freundschaft mit Schiller, dem er bis zu dessen Tod 1805 über zwei Jahrzehnte hinweg verbunden bleibt. Seit 1789 in Rom ansässig, findet er die Vorlagen zu seinen Ideallandschaften vor der Haustür. Römisches in Bauten und Campagna, daraus formt Reinhart dann eine Erfolgskomposition wie die „Ideallandschaft mit zwei Hirten und einem alten Mann“, die er in den Jahren 1810-13 mindestens drei Mal in unterschiedlichen Formaten malt; jedenfalls sind drei Versionen in Hamburg zu sehen, alle aus Privatbesitz. Dazu gesellen sich mythologische Szenen, deren Figuren gegenüber der sicher gehandhabten Naturdarstellung bisweilen etwas Putziges anhaftet.

Aus dem auf Poussin zurückreichenden Schema der lieblichen Landschaft bricht Reinhart mit seinen „Sturmlandschaften“ aus, nachdem er sich bereits 1796 ein Thema aus der durch ganz Europa wehenden Ossian-Mythologie erwählt hatte. Dem Schönen gesellt sich das Schreckliche hinzu, doch stets wohldosiert. Auch da ist die Vorzeichnung „Fingals Kampf“ lebendiger als die Ölmalerei. Reinharts Stärke bleibt die Grafik. Zauberhaft, wie er den Titusbogen in brauner Feder erfasst, Licht und Schatten durch graue Lavierung verteilt (1790/92); hinreißend detailverliebt sind die 24 „Mahlerisch radirten Prospecte von Italien“ aus den 1790er Jahren, die er zu einer mit zwei Künstlerkollegen gefertigten, 72 Blätter umfassenden Serie beisteuert. Johann Heinrich Meyer aus Weimar lobte sie als „eine schätzbare Sammlung Römischer Ansichten“.

Wie sehr Reinhart von seinem Bildvorrat zehrte, zeigt sich an seinem letzten Gemälde, der „Erfindung des korinthischen Kapitells durch Kallimachos“ von 1846 als Auftragswerk für den bayerischen König. Die Komposition folgt einer bereits drei Jahrzehnte zurückliegenden Zeichnung! So kennt Reinhart kein Alterswerk im eigentlichen Sinne, er tritt vielmehr als junger Künstler virtuos hervor und bewegt sich für immer auf diesem Niveau. Als Zeichner und Grafiker ist er freier und origineller. Nur dass ein Künstler davon zu Reinharts Zeiten ohne Fürstenpension schlecht leben konnte.

Hamburger Kunsthalle, bis 27. 1, danach München, Neue Pinakothek. Katalog 35 €.

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