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John Legend im Tempodrom.

© Davids

John Legend live in Berlin: Seufz!

Schwiegersohn-Soul: John Legend gibt im Berliner Tempodrom ein geschmackvolles Schmachtkonzert.

Es gibt Konzerte, bei denen der Star etwas tun muss, um sein Publikum zu erobern. Eine gut platzierte Ansage kann da hilfreich sein, eine ausgefallene Choreografie oder ein Schlagzeug-Solo. John Legend hat derartige Mätzchen nicht nötig. Er setzt sich bei seinem Konzert im Tempodrom hinter den Flügel, singt einen seiner Schmusesongs, blinzelt zwischendrin verschmitzt in den Saal – und man spürt förmlich, wie hier alle augenblicklich in kollektive Schmachtstarre verfallen. Einen Mann am Klavier, mehr brauchen seine Fans nicht, um glücklich zu sein. Eher noch weniger. Das andere Erfolgsrezept von John Legend geht nämlich so: Er stellt sich hin, jubiliert sich mit seiner unverschämt samtenen Stimme unbegleitet durch einen seiner Hits und wartet gelassen auf die ersten Seufzer aus der Menge. Er weiß genau, dass jetzt die Mädchen in den vorderen Reihen der Ohnmacht nahe sind und die Pärchen weiter hinter mit dem Knutschen beginnen.

John Legend sieht so fantastisch aus, dass er sogar mit Würde ein cremefarbenes Sakko überm schwarzen Hemd tragen kann. Und er singt wie ein junger Gott. Diese Kombination hat dazu geführt, dass der 35-Jährige zu einem Star der amerikanischen R’n’B-Szene wurde. Er hat in den letzten zehn Jahren nur vier Soloalben veröffentlicht, dafür wird er ständig von Superstar-Kollegen wie Kanye West oder Alicia Keys gebucht, wenn sie mal wieder einen perfekt abgerundeten Gesangspart brauchen.

Gut, man könnte vielleicht sagen: John Legend bietet Soul, mit dem sich bestens für Margarine werben lässt. Funky ist hier gar nichts, und obwohl der Sänger viel in der Hip-Hop-Szene herumgereicht wird, kommt er in Berlin keinen Moment auf die Idee, beweisen zu wollen, dass er auch etwas anderes kann, als den perfekten Schwiegersohn darzustellen. Seine Begleitband wäre für Ausflüge in groovigere Gefilde auch nur bedingt geeignet. Gleich drei Violinisten und eine Cellistin sorgen an den Stellen, in denen der Meister sich nicht selbst genügt, für weiche Klangbetten. Es ist wirklich alles so geschmackvoll, dass es beinahe wehtut. Dann gedenkt Legend auch noch seiner toten Großmutter, schnulzt sich durch „Bridge Over Troubled Water“ und greift danach zu einer Wasserflasche. In einer perfekten Welt wären wir wahrscheinlich alle wie John Legend.

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