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Kultur: Johnny Cash reitet wieder

COUNTRY

Eine Oper über das Leben von Johnny Cash, das müssen wir uns ansehen. Zum Glück begleitet uns der bedeutendste Cashologe Berlins, Mario Weber ins ehemalige Telegrafenamt an der Oranienburger Straße (Entcasht, eine Western-Oper mit Schuss. Wieder am 16., 17., 21. und 22 April, 20 Uhr, Info: 44 04 85 61). Eine Theke, an der soeben noch die Zuschauer Bier getrunken haben, ein überlebensgroßes Bild von Cash in einem Goldrahmen und die Instrumente der drei Musiker von Clark Nova Five bilden das Bühnenbild; die Musik beginnt. Tatsächlich tragen alle schwarze Cowboyhüte, auch die beiden Schauspieler, ein dicker und ein dünner, die ihre amerikanischen Kopfbedeckungen vor ihrem Idol ziehen. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass der Dicke Johnny Cash darstellt und der Dünne Hank Williams. Hank Williams tanzt also zur Musik, dann spielen sie Karten, der Dicke muss sich bis auf die Unterhose ausziehen, gewinnt aber alles zurück und tanzt spärlich bekleidet vor dem Bild auf einem weißen Teppich. Nach „I Walk the Line“ spielt die Band „Der wilde, wilde Westen fängt gleich hinter Hamburg an“ von Truckstop, Hank Williams schießt aus Verzweiflung in die Luft, dann auch Cash, dann schießen alle auf alle.

Daraufhin koksen Cash und Williams und reden wirr, schließlich will Cash Williams vergewaltigen, Williams versteckt sich hinter einer Säule, Cash schießt ihn ins Bein, Cash rezitiert: „Gott hilf dem Biest in mir“. Dann wird wieder viel wirres Zeug geredet, wir glauben Zitate von Johnny Cash, seinem Biografen Franz Dobler, von William S. Burroughs und Karl Marx zu erkennen. Ein Lagerfeuer wird hereingetragen, um das sich alle setzen. Einer der Musiker fragt: „Ist euch schon mal aufgefallen, dass es in dieser Kack-Wüste keinen einzigen Kaktus gibt?“ Sie gießen sich aus einer verschlossenen Flasche weißen Whisky in die Blechtassen und müssen Hank Williams die Kugel aus dem Bein schneiden. Aha, das ist also The Beast in Me – Untertitel auch des Dobler-Buches. Cash muss stundenlang in dem Bein herumschneiden, während Hank Williams über den New Deal in der Depression deliriert. Cash tanzt nach erfolgter Operation mit einem Gestapo-Ledermantel herum, Hank Williams reitet und schreit dabei ein Shakespeare-Zitat heraus.

Nein, dem Cash-Forscher Mario Weber hat das Stück nicht gefallen, auch findet er Oper als Bezeichnung unangemessen, eher sei es doch eine Operette oder ein Musical gewesen. Er sagt es so: Dafür ist Johnny Cash nicht gestorben.

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