zum Hauptinhalt

Journalismus: Publizist Kuby ist tot

Der Publizist und Autor Erich Kuby ist im Alter von 95 Jahren in Venedig gestorben. Kuby war über Jahrzehnte einer der profiliertesten linken Journalisten in der Bundesrepublik.

Venedig/München (12.09.2005, 14:02 Uhr) - Er hat immer gegen den Strich gebürstet und die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik schonungslos kritisiert. Und so war es wohl kein Zufall, dass Erich Kuby einen Sammelband mit eigenen Reportagen und Kommentaren unter dem Titel «Mein ärgerliches Vaterland» erschienen ließ. Im Alter von 95 Jahren ist der Autor und Publizist in der Nacht zum vergangenen Samstag in Venedig gestorben, wie sein Sohn Clemens Kuby am Montag in München bestätigte. Sein Vater soll an diesem Donnerstag im evangelischen Teil der Friedhofsinsel San Michele in Venedig beigesetzt werden.

Kuby war über Jahrzehnte einer der markantesten linken Journalisten in der Bundesrepublik. «Er war, bis die Studentenbewegung 1968 ihn abgelöst hatte, das linke Gewissen der Nation», sagt sein Sohn Clemens. Erich Kuby hatte unter anderem für die «Süddeutsche Zeitung», den «Stern», den «Spiegel» und die Berliner Wochenzeitung «Freitag» geschrieben.

Zu seinen größten Bucherfolgen gehörte neben «Das ist des Deutschen Vaterland - 70 Millionen in zwei Wartesälen» vor allem «Rosemarie, des deutschen Wunders liebstes Kind», in dem er sich mit dem Leben der ermordeten Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt auseinander setzte. Das Buch wurde in 17 Sprachen übersetzt. Auch die Verfilmung von Kubys Analyse der deutschen Doppelmoral, nach einem von ihm selbst geschriebenen Drehbuch, wurde ein Welterfolg.

Der in Baden-Baden geborene und in Oberbayern aufgewachsene Landwirtssohn hat auch Hörspiele geschrieben und insgesamt rund 40 Bücher veröffentlicht.

In einer seiner letzten großen Arbeiten hat Kuby die Geschichte seiner Familie erzählt. Das im Münchner Hanser Verlag erschienene Werk «Lauter Patrioten» ist - so der Untertitel - eine «deutsche Familiengeschichte von 1800 bis 2000». Sein umfangreiches Werk «Verrat auf Deutsch. Wie das Dritte Reich Italien ruinierte» und «Der Fall "Stern" und die Folgen» um die gefälschten Hitler-Tagebücher erregten großes Aufsehen.

Erich Kuby stritt in den «Kindertagen» der Bundesrepublik vehement gegen die Wiederbewaffnung und hinterfragte gesellschaftskritisch das «Wirtschaftswunder» der 50er Jahre. Nach über fünf Jahrzehnten als kritisch-wachsamer Journalist zog sich der Autor dann nach Venedig zurück. Dort lebte er zusammen mit seiner zweiten Frau Susanna Böhme und mit seinem jüngsten Sohn Daniel, in deren Beisein er jetzt auch starb.

Kuby mischte sich immer wieder ins kulturpolitische Tagesgeschäft ein, zuletzt bei der Debatte um die Vereinigung der beiden deutschen Autorenverbände. Dabei setzte er demonstrativ ein Zeichen und wechselte ins ostdeutschen PEN-Zentrum.

In jungen Jahren war Kuby nach dem Studium der Volkswirtschaft bis zu seiner Einberufung in die Wehrmacht in einem Buchverlag tätig, als Soldat war er in Frankreich und Russland eingesetzt. 1947 wurde er Chefredakteur der von Alfred Andersch und Hans Werner Richter gegründeten Zeitschrift «Der Ruf». Nach seiner Absetzung durch die US-Amerikaner, denen Kuby wie schon zuvor Andersch und Richter zu kritisch war, gehörte er jahrelang dem Redaktionsstab der «Süddeutschen Zeitung» an.

«Erich Kuby war nach dem Krieg als anerkannter Nicht-Nazi von den Amerikanern beauftragt worden, deutsche demokratische Persönlichkeiten zu finden, denen man eine Lizenz zur Herausgabe einer Zeitung geben könne», sagt Sohn Clemens rückblickend. «Mein Vater lizenzierte Augstein, Springer, Nannen, Friedmann etc. - er vergaß nur, sich selbst eine Lizenz auszustellen.» Aber dafür habe er dann in all diesen Blättern und Magazinen mitgewirkt. Ein Sprecher des «Spiegel» würdigte ihn am Montag als «einen der profiliertesten Journalisten der deutschen Nachkriegsgeschichte». (tso)

Zur Startseite