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Juan Diego Flórez

© Gregor Hohenberg/Sony Classical

Juan Diego Flórez in der Philharmonie: Rendezvous mit Puccini

Tenor Juan Diego Flórez will in der Philharmonie neue Wege gehen - und holt sich dazu das formidable Orchestre de Chambre de Lausanne.

Als Koloraturenkönig bezaubert der immer noch jugendliche Juan Diego Flórez seine Fans. Doch das Repertoire aus Rossini, Donizetti, Bellini wird dem Belcantosänger aus Peru langsam zu eng. Also setzt er an zum großen Sprung nach vorn – der erst mal einer zurück ist, musikgeschichtlich zumindest. Nämlich zu Mozart. Fürs Konzert in der Philharmonie, die auch glühendste Anhänger bei Mondpreisen von fast 70 Euro für die günstigste (!) Karte nicht füllen können, hat er sich das Orchestre de Chambre de Lausanne geholt, unter Leitung von Joshua Weilerstein.

Ein famoser Klangkörper, der den Ton setzt mit den Ouvertüren zu Mozarts drei Da-Ponte-Opern: schlank und sinnlich beim „Figaro“, dämonisch und sexy beim  „Don Giovanni“, mit viel motorischem Drive und vorzüglichen Solisten im Holz bei „Così fan tutte“. Der 30-jährige Weilerstein sorgt für ein transparentes und doch magisch leuchtendes Klangbild, was viel mit seinem engagiert-konzentrierten, handwerklich fein ausgearbeitetem Dirigierstil zu tun hat. Jedes Zucken, jeden Hüpfer, jede Rückung der Musik macht er gestisch mit, aber ohne dass es affig und aufgesetzt wirkt. Sondern immer ganz natürlich und eingebettet in den Flow.

Der Knoten platzt bei Tamino

Und Flórez? Zeigt er an diesem Abend, welchen Weg er künftig gehen will, ins Lyrische, ins Heldische gar? Zunächst mal ins Zopfige. Belmontes Arie „Ich baue ganz auf deine Stärke“ und dann Ottavios „Il mio tesoro“ unterspielt er schwiegersohnig-brav, ohne inneres Feuer und Durchschlagskraft. Der arme Ottavio wartet weiter auf einen Tenor, der diese Rolle vom Schnarcher-Image befreit. Jetzt könnte man sagen: Okay, bleib bei deinen Leisten, Mozart ist nichts für dich. Aber das stimmt ja nicht. Der Knoten platzt ausgerechnet in Taminos Schmachtarie „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“. Auf einmal sind da Wärme und Farbigkeit in der Stimme und Lebendigkeit im Ausdruck. Nichts kann Flórez nach der Pause mehr bremsen, eine Arie aus Rossinis „Otello“, eine aus „Hoffmanns Erzählungen“: Jetzt gelingt ihm einfach alles. Und Konzertmeister François Sochard legt mit der Meditation aus Massenets „Thaïs“ mal eben ein bezauberndes Violinsolo hin, das erneut für die Qualität dieses Orchesters spricht.

Durchhänger gibt es trotzdem. Zur nervösen Kleingliedrigkeit von Offenbachs „Kleinzach“- Arie findet Flórez keinen Zugang, bleibt schwergängig. Glanzvoll dann wieder die „Questa o quella!“-Arie des Herzogs aus „Rigoletto“. Bei aller Dankbarkeit, dass er was anderes singt als „La donna è mobile“: Dieser Verdi-Ausflug gerät ein wenig kurz.

So ist für die Frage, ob Flórez künftig auch das große italienische Repertoire singt, vor allem Rodolfos „Che gelida manina“ aus Puccinis „La Bohème“ aufschlussreich. Die Stimme wirkt dafür doch noch zu klein, es fehlt an Weite, Offenheit. Aber vielleicht sollte man das mit dem Lyrischen und dem Heldischen nicht zu ernst nehmen. Wenn sich Flórez für die Zugaben eine Gitarre schnappt und peruanische Lieder sowie Augustín Laras „Granada“ singt – ein Mann und sein Instrument, ganz allein in der riesigen Philharmonie, unplugged – dann ist das nicht nur enorm berührend, es ist vor allem ein grandioser Abend für alle Fans.

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