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Vielguckerin. Suzan Beermann leitet das Eiszeit-Kino seit 1989.

© Mike Wolff

Jubiläum: Nische, besetzt

Das Kreuzberger Eiszeit-Kino wird 30 Jahre alt, am Osterwochenende gibt es ein Sonderprogramm. Ein Treffen mit Chefin Suzan Beermann.

Dieser komische Name! Das Eiszeit-Kino heißt so, weil das besetzte Haus in der Schöneberger Blumenthalstraße 13, wo ein paar Film-Anarchos 1981 anfingen, Super-8-Filme zu zeigen, keine Heizung hatte. Im Winter gab es Decken und Glühwein, wie sich der Gründer und heutige Interfilm-Chef Heinz Hermanns erinnert. 30 Jahre danach ist das Eiszeit-Kino nicht mehr in Schöneberg, auch nicht mehr in der Waldemarstraße, wo man nach der Räumung der „Blume 13“ für zwei Jahre unterkam.

Seit Mitte der Achtziger gedeiht eine der schönsten Berliner Off-Kino-Pflanzen in einer Fabriketage in der Kreuzberger Zeughofstraße – und Suzan Beermann ist die Gärtnerin, seit über zwei Jahrzehnten. 1989 übernahm sie den Laden. Sie ist 54 Jahre alt, graue Locken, Vielguckerinnenbrille, schwere Lederstiefel und unter den Jackettärmeln schauen großflächige Tätowierungen hervor. Klar: Diese Frau liebt Bilder – vielleicht ist das die einfachste Antwort auf die Frage, wie das Eiszeit so lange überleben konnte.

Beim Treffen im Kino zieht Beermann ein altes Plakat aus einer Mappe, ein Programm von 1994, zusammengeschnippelt und aufgeklebt, eine schwarz-weiße Kopiervorlage. Heute laufen Filmtrailer des aktuellen Programms über einen Flachbildschirm im Foyer. Auch das Publikum habe sich verändert, sagt Beermann, weniger Altkreuzberger, mehr Jüngere, der Kiez verändert sich eben.

Von Anfang an war das Eiszeit ein Alternativ-Ort. Es liefen Experimentalfilme, feministische Pornos, das Fantasy-Filmfest nahm hier seinen Anfang. Nebenbei gab es – und gibt es – immer auch Performances, Theater, Konzerte, Lesungen. Berliner Kulturfiguren wie Dimitri Hegemann und Dr. Motte machten Programm. Es waren bewegte Zeiten: 1986 zeigt das Eiszeit den Sex- und Gewaltfilm „Fingered“ des US-Undergroundregisseurs Richard Kern. Prompt stürmte eine Gruppe radikaler Feministinnen das Kino, zerstörte den Projektor und klaute die Kasse.

Heute ist alles nicht mehr so wild. „Früher konnte man die Leute noch erschrecken“, sagt Beermann. Der letzte Schocker sei das Eiszeit 2004 mit dem Graffiti-Filmfestival gewesen, 2000 Besucher aus aller Welt, Polizisten mit Argusaugen, ein Hubschrauber auf Sprayerjagd knatterte über die Häuser. Da zeigte sie sich mal wieder, die Subkultur im Kino.

Im Alltag setzt Suzan Beermann auf ihr sorgfältig ausgewähltes – und vielfach mit Förderpreisen ausgezeichnetes – Programm. Sie zeigt „Lieblingsfilme“, während sie den politischen Anspruch des Kinos weiterführt: Bei Kathryn Bigelows Irak-Drama „The Hurt Locker“ hatte Beermann früh den richtigen Riecher. Sie zeigte den Film 2009, doch er lief nicht recht. Dann kamen die Oscar-Gerüchte auf, Beermann nahm den Film fix zurück ins Programm – und hatte „einen schönen Knaller“. So was tut gut.

Bei aller Bedrohung durch Multiplexe, Digitalisierung und DVDs vertraut Beermann auf das „Erlebnis Kino“. Sie bringt die Leute zusammen: Filmemacher und Kinofreaks, Junge und Alte, „solche, die einen Film noch nie auf der Leinwand gesehen haben – und solche, die ihn endlich mal wieder sehen wollen“. Neben Festivals, Reihen – etwa zu „Sopranos“-Star James Gandolfini – und Lesungen finden im Eiszeit immer wieder Filmpräsentationen mit Vortrag, Screening und passender kulinarischer Begleitung statt.

A propos Essen: Gibt es eigentlich Eis im Eiszeit? Suzan Beermann lacht: Nein, warum denn auch, es gebe zwei tolle Eisläden im Kiez. „Ich schimpfe nicht, wenn die Leute mit eigenem Eis ins Kino kommen“, sagt sie. „Ich schimpfe, wenn sie mit eigenem Bier kommen.“ Das sollen sie ruhig im Eiszeit kaufen. So wird dieses schöne Kino hoffentlich noch lange weiter bestehen.

Eiszeit-Kino, Zeughofstr. 20, Kreuzberg, Sonderprogramm Fr.–So. 22.-24.4., 14 €, Drei-Tage-Karte 35 €, freier Eintritt mit Geburtstagstorte. Infos: www.eiszeitkino.de

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