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Cover des Buches.

© ueberrreuter

Jugendliche fragen zur Deutschen Einheit: Ost-West-Gespräche

25 Jugendliche zwischen elf und 18 Jahren haben 17 Zeitzeugen zur deutschen Einheit befragt. Ein Lernbuch ohne Didaktik.

Geschichten über die deutsch-deutsche Vergangenheit beginnen inzwischen im märchenhaften „Es war einmal“-Ton. Wer nach 1989 geboren wurde, der hat keine Erfahrung mehr mit der Teilung, dafür aber Fragen: „Warum stand hier eine Mauer?“ – „Konnte man rüberklettern?“

Um Antworten zu finden, hat Julia Balogh 2009 ein Audioprojekt entwickelt, bei dem Berliner Fünftklässler am Brandenburger Tor Passanten befragten, was ihnen zu der Zeit von Stacheldraht und Schießbefehl einfällt. Mit Birgit Murke von der Literaturinitiative Berlin erweiterte sie die Idee. Jetzt, zum 25-jährigen Wiedervereinigungsjubiläum, ist daraus das Buch „Geteilte Ansichten“ geworden. Es besteht vor allem aus Fragen und Antworten.

„War die Angst in der DDR für Sie ein ständiges Thema?“, wollen die jugendlichen Reporter von Ex-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler wissen. „Ich habe ein ganz normales Leben geführt“, sagt sie. „Mit Freunden gekocht, meine Kinder erzogen, war verliebt.“ Alltag eben, dann kommt das Aber: „Leider war das politische System der DDR allgegenwärtig. Wir wurden beobachtet, meine Freunde und ich wurden verhaftet.“ Über die Zersetzungsstrategie der Staatssicherheit habe sie wenig gewusst, als sie Leiterin der vormaligen Gauck-Behörde wurde.

25 Jugendliche zwischen elf und 18 Jahren waren beteiligt, 17 Zeitzeugengespräche fanden ins Buch. Die Schriftstellerin Katja Lange-Müller erzählt, wie sie nach West-Berlin ausreiste: „Morgens um acht standen zwei Herren vor der Tür, klingelten Sturm, sagten: Es ist so weit, Sie dürfen ein Gepäckstück mitnehmen.“ Ex-Spitzensportlerin Ines Geipel berichtet: „Es gab eine Tablettenkultur im DDR-Sport, aber ohne jede Information der Athleten.“

Comiczeichner Olaf Schwarzbach, der selbst überwacht wurde, sagt: „Die Stasi war der Schwarze Mann, so ein Buhgespenst.“ Irgendwann fällt der ideologisch umkämpfte Begriff „Unrechtsstaat“ für die DDR. Genauso gut, heißt es da, könne man auch „Diktatur“ sagen. Viele Mosaiksteine fügen sich zu einer Geschichte. „Geteilte Ansichten“ verzichtet auf Didaktik und wird gerade deshalb zum Lernbuch.

Julia Balogh/ Birgit Murke (Hg.): Geteilte Ansichten. Jugendliche stellen Fragen zur Deutschen Einheit. Ueberreuter, Berlin 2015. 174 Seiten, 9,95 Euro. Ab 12 Jahren.

Weitere Rezensionen finden Sie auf unserer Themenseite.

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