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K.I.Z. kommentieren: Deutschlands Minnesänger

Am 8. März ist Internationaler Frauentag - dann spielen die Rapper von K.I.Z. nur für Frauen. Im Gender-Test fällen sie ihr Urteil über die Texte männlicher Kollegen aus 30 Jahren deutscher Popmusik.

Roland Kaiser: JOANA (1984)

Joana, geboren um Liebe zu geben/Verbotene Träume erleben/Ohne Fragen an den Morgen

TAREK: Roland Kaiser, ist das der von der Hamburg-Mannheimer?

MAXIM: Find ich großartig, den Text. Er hat auf jeden Fall die Funktion der Frau erkannt: als Liebesmaschine. Für mich hört sich das so an, als hätte er eine Ehefrau zu Hause und eine Konkubine für nebenher, die geboren ist, ihm Liebe zu geben. So nach dem Motto: Du bist super im Bett, lass das mal lieber sein mit dem ernsthaften Zeug.

NICO: So etwas wird heute auch noch geschrieben. Die Soul- und R&B-Musik aus Amerika lebt davon: Flo Rida, Chris Brown oder R.Kelly. Von dem gibt es sogar ein Lied, das heißt „Be My Number Two“.

Udo Lindenberg: DIE KLAVIERLEHRERIN (1988)

Sie war so groß, war so barock

Ganz breit der Arsch

Ganz kurz der Rock

Dann nahm sie meine Finger hin

Und führte sie hier und da so hin

Meine Klavierlehrerin.

TAREK: Meine erste CD war von Udo Lindenberg. Da waren Lieder wie „Bodo Ballermann“ und „Cello“ drauf. Das ist ja ein ernstes Thema, worüber Udo in diesem Lied singt: Kindesmissbrauch, Verführung Minderjähriger. Schön, dass er auf die Problematik hinweist.  Er hat noch einen Song zu dem Thema aufgenommen, aber aus der anderen Perspektive. Der geht so: „Es ist besser, Nina, wenn du jetzt gehst, denn du bist erst vierzehn, deine Eltern warten sicher schon auf dich, komm du musst jetzt gehen.“ Da weist er jede Schuld von sich, will sich nicht verführen lassen. Das Thema scheint ihn wirklich sehr zu beschäftigen.

Die Ärzte und Herbert Grönemeyer

Die Ärzte: BITTE, BITTE (1988)

Was immer du befiehlst, ich tu’s

Ich küss die Spitze deines Schuhs

Und wenn du mir die Knute gibst

Weiß ich, dass auch du mich liebst.

Ich bin nicht mehr zu retten

Peitsch mich aus

Leg mich in Ketten

Ab heut’ gehör’ ich dir allein

Bitte bitte lass mich dein Sklave sein.

TAREK: Ich finde, da sollte man mehr in die Tiefe gehen. Was empfindet der Typ gerade, wenn er den Schuh im Mund hat. Aus welchem Material ist der, wonach schmeckt der, warum macht der das? Das ist mir viel zu oberflächlich, ich will mehr Details. Das sind doch Dinge, die ich so auch im Fernsehen sehen kann.

MAXIM: Das kommt gut bei Frauen an, wenn man sich so unterwürfig präsentiert – zumindest in der Musik. Die Ärzte haben das konsequent durchgezogen, „Männer sind Schweine“ hat ihnen sogar einen Nummer-Eins-Hit beschert. Das kenn ich doch auch: Da stehst du an der Bar, tust ein wenig so, als würdest du ihr alles abnehmen, und zu Hause geht es dann anders zur Sache. Die Situation in dem Lied finde ich zweideutig: Es ist ein wenig so, als wenn du deiner Frau zum Geburtstag einen Tag schenkst, an dem du ihr den Haushalt machst. Heute leck ich dir die Schuhe, aber bilde dir nichts darauf ein. An den anderen 364 Tagen muss sie wieder am Herd stehen. Na ja, ist genau unsere Schiene, unser Konzept für das Konzert nur für Frauen: Einen Tag geben wir uns unterwürfig, den Rest des Jahres sind wir am Ruder.

Herbert Grönemeyer: HALT MICH (1988)

Komm erzähl mir was

Plauder auf mich ein

Ich will mich an dir satthörn

Immer mit dir sein

Betanke mich mit Leben

Lass mich in deinem Arm

Halt mich, nur ein bisschen

Bis ich schlafen kann.

TAREK: Die Stelle „Plauder auf mich ein“ habe ich nie verstanden, ist aber ein wunderschönes Lied. Er hat Balladen für seine Frau Anna geschrieben, die tragischerweise an Krebs gestorben ist. Das ist schon faszinierend und rührend, dass er solche bombastischen Liebeslieder auf sie geschrieben hat. Er ist ein Vorbild für die Gesellschaft – die sündhafte Gesellschaft, die so triebgesteuert und sexualisiert ist. Alle kommen in die Hölle, außer Grönemeyer. Der hat es durchgezogen, eine Frau bis in den Tod und darüber hinaus geliebt. Ich wünschte, ich würde auch mal so eine treffen.

MAXIM: Ich finde ihn in Maßen annehmbar. Aber das Pathos und diese gequetschte Stimme! Ich weiß noch, vor ein paar Monaten hatten wir in Zürich einen Auftritt, unser Fahrer hat sich verfahren und hörte die ganze Zeit Herbert. Das war unsere lange Grönemeyer-Nacht. Es war grauenhaft.

TAREK: Er hat sich leider irgendwann in Bildern verloren, die nur er versteht – wie Stuhl im Orbit. Was will er uns damit sagen? Damals hat er Lieder gesungen, die jeder Penner verstanden hat.

Pur und Bushido

Pur: LENA (1991)

Du bist Luft für mich

Die ich zum Atmen brauch’

Die Landebahn in meinem Bauch

Die Tropfen für mein schwaches Herz

Ich lieb dich alltagsgrau

Ich lieb dich sonntagsblau – Lena.

MAXIM: Ein feiner Zug, in ein Liebeslied mit den Worten einzusteigen: Du bist Luft für mich. Sehr charmant.

TAREK: Es klingt so, als würde Hartmut Engler Songs komponieren, während seine Frau mit dem Gärtner schläft.

MAXIM: Nein, er ist auf Tour, betrügt seine Frau und muss das Lied schreiben. Schuldgefühle. Deshalb diese komischen Bilder: Landebahn in meinen Bauch. Das könnte eine Metapher für Analverkehr sein. Verrückt, was der schreibt. Viele Hörer kümmert das nicht. Die beten jeden an, der Texte schreibt, ob sie die Bilder verstehen oder nicht.

NICO: Das ist so Musik für Auftritte auf Feuerwehrfesten, irgendwo draußen in Brandenburg. Oder für schlecht erzogenen Mittelstand. Damit will ich nichts zu tun haben.

Bushido: DRECKSTÜCK (2003)

Wie Du in Deinem Bett sitzt

Halbnackt Du Dreckstück

Ich wusste das Du so bist

Uund jeden Dreck fickst

Nur weil Du eine Frau bist

Uund man Dir in den Bauch fickt

Heißt es nicht, dass ich Dich nicht

Schlage, bis Du blau bist!

MAXIM: Unter welchem Kontext soll ich das analysieren: Ob ich ein besserer Mensch als Bushido und Fler bin? Nachvollziehen kann ich die Gefühle. Da geht ein Typ aus dem Haus, weil er Stress mit seiner Freundin hat – und als er wiederkommt, ist sie mit einem anderen im Bett.

TAREK: Wenn du Stress mit deiner Freundin hast, kommst du zur Versöhnung doch nicht mit deinem Kumpel im BMW vorbei. Das ist doch bescheuert. Ich kenne solche Gefühle.

MAXIM: Ist halt männermäßig. Ich glaube auch, dass Bushido es besser drauf hat, ganz schnell eine Beziehung zu einer Frau zu klären, als so. Mittlerweile ist mir Bushido egal, früher war der wichtig, jetzt entwickelt er sich nicht mehr weiter. Er ist ein großer Betriebswirtschaftler seiner Zeit.

Seeed, Tim Bendzko und Culcha Candela

Seeed: DING (2006)

Oohoohoo, du hübsches Ding

Ich versteck meinen Ehering

Klingelingeling wir könntens bring’n

Doch wir nuckeln nur am Drink.

NICO: Das ist auf alle Fälle der Musikersong. Jeder Künstler kann das verstehen. Auf Tour wird man angesprochen, aber dann macht man doch nichts, weil man sich nicht traut.

MAXIM: „Ich hätte nie gedacht, dass Kotzen meine Ehe rettet“, heißt es ja weiter im Lied. Ja, die Frau ist der Teufel. „Dirty Diana“ wie bei Michael Jackson. Er kann auch nichts dafür, dass diese Frau jetzt plötzlich in seinem Hotelzimmer ist. Dass sie ausnützt, dieses giftige Biest, dass er genetisch vielleicht schwächer ist. So eine böse Frau!

NICO: Ich finde das bei ihm nicht so eindeutig. Er stellt sich nicht so in die Opferposition.

MAXIM: Er geht allein aus dem Haus, legt seinen Ehering ab und will eine Nacht draufmachen.

NICO: Ich finde das Lied trotzdem gut. Seeed mag doch jeder, das ist schon fast langweilig. Menschen, die sie blöd finden, waschen sich nach der Toilette auch nicht die Hände.

Tim Bendzko: WENN WORTE MEINE SPRACHE WÄREN (2011)

Ich kann dich nur ansehen

Weil ich dich wie eine Königin verehr’

Doch ich kann nicht auf dich zugehen

Weil meine Angst den Weg versperrt.

MAXIM: Das ist so distanziert. Jemanden auf so ein Podest zu stellen und anzubeten. Der Schritt zu einem Spruch wie „Du Hure!“ ist gar nicht so weit weg. Diese Frau, die er so darstellt, wenn die sich als normalsterblich herausstellt, dann ist er so enttäuscht am Ende, dass er bei „Dreckstück“ von Bushido landet.

TAREK: Ich weiß gar nicht, wie man in seinem Alter solche Gefühle haben kann. Das passt doch zu einem Zwölfjährigen.

MAXIM: Als Frau hätte ich auch keine Lust, dass mich laufend jemand anhimmelt. Man kann nie normal mit jemandem reden, weil man als Hure oder Engel betrachtet wird. Diesen Anspruch kann niemand erfüllen.

TAREK: Da braucht doch die Frau nur neben ihm stehen, einmal rülpsen, furzen, was weiß ich, und dann zerbricht dieses Bild sofort.

MAXIM: Ich glaube, das Bild, das Tim Bendzko vermittelt, ist die Ursache, dass viele Menschen einfach unglücklich werden. Weil sie sich unrealistische Dinge ausmalen. Entweder hassen sie den Menschen danach oder haben das Gefühl, sie müssen sich mit kleineren Dingen zufrieden geben. Und am Ende sitzen sie mit Bierflasche und im Unterhemd auf der Couch.

Culcha Candela: WILDES DING (2011)

Ich will nur eine mit Herz, Kopf

Arsch und Pepp

Draußen Prinzessin und

Ein Freak in meinem Bett

Ein klein bisschen Lady

Ein klein bisschen Gaga,

Sowas fänd ich voll perfekt.

MAXIM: Das ist eine klare marktwirtschaftliche Ausrichtung, wie ein Bewerbungsausschreiben für eine Freundin. Eine Kontaktanzeige, nur singen die Jungs anstatt zu schreiben „NL, VL, ohne AV“. Diese Ansprüche sind furchtbar, die sie an die Frau stellen.

TAREK: Vor allen anderen musst du richtig schön sein, dich vernünftig bewegen, aber zu Hause will ich, dass du die Sau rauslässt Das ist fast unmöglich: eine Frau zu Hause im Bett zu haben, die sich wie ein Luder aufführt und draußen wie die Mutter.

MAXIM: Außerdem will niemand von seiner Freundin sagen, die ist eine Hure im Bett. Das hat sofort einen moralischen Nachgeschmack, als wäre das falsch, verwerflich, was du im Bett treibst. Und das ist bei Culcha Candela sofort drin, anstatt zu sagen: Ist mir egal, was du im Bett treibst. Das sind doch Sexistenschweine! Die gehören auf jeden Fall auf den Index!

KIZ spielen am 8. März ein Konzert „Nur für Frauen“ im Lido. Beginn 20 Uhr.

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