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Kultur: Kain und Abel

Neuseeländisches Kino: „Als das Meer verschwand“

Man hört es geradezu knistern zwischen ihnen: zwei Brüder, die sich nach langer Zeit wieder gegenüberstehen. Und die so andere Lebensmodelle gewählt haben: Der eine, Paul, floh als Jugendlicher nach Europa, wurde Kriegsfotograf und kehrt nun müde und desillusioniert nach Hause zurück. Der andere, Andrew, blieb im malerischen Süden Neuseelands, baute sich ein schickes Haus und eine Straußenfarm, heiratete eine Frau, die seiner Mutter ähnlich sieht und drangsaliert nun seinen dicklichen, unglücklichen Sohn. Eine Kain- und-Abel-Geschichte scheint sich anzubahnen, als die Brüder beim Begräbnis des Vaters aufeinandertreffen. Irgendetwas Hässliches, Böses, Verdrängtes, eine verborgene Familientragödie lauert hinter der scheinbar harmonischen Kleinstadtkulisse. Und dann taucht auch noch die 16-jährige Celia auf und entwickelt eine seltsame Zuneigung für den finsteren Paul. Wunderbar die Szene, in der das pubertierende Girlie zum Schülerzeitungsinterview beim abweisenden Fotografen einfällt und in einer Tonbandlänge viel mehr von ihm erfährt, als er jemals sagen wollte. . . .

Der neuseeländische Film „Als das Meer verschwand“ (In my father’s den) erzählt nach einem Roman von Maurice Gee eine Ausbruchs- und Freiheitsgeschichte. Vom Traum der großen weiten Welt, den Paul und Celia träumen und der sie bald in einer fragilen, kostbaren, von der Umwelt beargwöhnten Freundschaft verbindet. Von den engen Grenzen der Kleinstadtwelt. Davon, was es heißt, zurückzukommen, die Jugendliebe wiederzufinden und den Geräteschuppen, den der Vater sich zum Rückzugsort gestaltete. Alles gleich geblieben, nur man selbst ist anders. All das hätte, getragen von den großartigen Schauspielern Matthew Macfadyen und Emily Barclay, faszinierend sein können – hätte Regisseur Brad McGann sich bei seinem Debüt entschließen können, die Dinge etwas mehr in der Schwebe zu lassen. Doch so steuert der Film, durch manche Rück- und Vorblenden verkompliziert, immer penetranter auf die Auflösung zu, die man ohnehin längst vermutet.

FT am Friedrichshain, Neue Kant Kinos, Passage, Broadway (OmU)

Christina Tilmann

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