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Kultur: Kalk-Gala

Sybill Mahlke ärgert sich über die Deutsche Oper Berlin Das Jubiläum des 90jährigen Bestehens trifft die Deutsche Oper Berlin in ihrem tiefsten Fall. Der Generalmusikdirektor ist abwesend.

Sybill Mahlke ärgert sich über die Deutsche Oper Berlin

Das Jubiläum des 90jährigen Bestehens trifft die Deutsche Oper Berlin in ihrem tiefsten Fall. Der Generalmusikdirektor ist abwesend. Der Generalintendant, der sein Amt mit Ende der Spielzeit verlassen wird, hat vor die „Galavorstellung“ eine Rede gesetzt. Darin beklagt Udo Zimmermann, dass die Diskussionen um die Zukunft der drei Berliner Opernhäuser sich nur noch ums Geld drehen. Ehrengäste, Mitglieder des Förderkreises und das Restpublikum im keineswegs vollbesetzten Zuschauerraum spenden ihm Applaus, als er von der größten Herausforderung in der Existenz dieser Oper spricht und zu der Mahnung kommt, man dürfe nicht auf sie verzichten. Deutsches Opernhaus Charlottenburg, Städtische Oper, Deutsche Oper – angesichts der derzeitigen Lage tut es weh, die erfüllten Blütenträume der Vergangenheit mit den Namen Furtwängler, Bruno Walter, Gustav Rudolf Sellner, Götz Friedrich benannt zu bekommen. Seltsamerweise hat Zimmermann damit kein Problem.

Wer die Zeiten des 1961 bezogenen Hauses an der Bismarckstraße miterlebt hat, wird die Taten schöpferischer Intendanten nicht vergessen. Sellners „Moses und Aron“-Erfolg verleitete ihn nicht, selbstherrlich zu werden. Die Regie der Eröffnungspremiere „Don Giovanni“ – festgehalten im Film – überlässt er seinem Vorgänger Carl Ebert, Ferenc Fricsay dirigiert ein Ensemble, von dem man nur träumen kann: Fischer-Dieskau, Grümmer, Pilar Lorengar usw. Die „Aida“ vergibt Sellner an Wieland Wagner und Karl Böhm. Von der Fülle der eigenen Regiearbeiten des vormaligen Darmstädter Schauspielregisseurs zu schweigen. Er holt Lorin Maazel als Generalmusikdirektor, er eröffnet die Ära der Japantourneen. Zugegeben, es folgen weniger sensationelle Zeiten. Mit dem Programm „Abenteuer Musiktheater“ aber tritt voller Impetus Götz Friedrich an, um programmatisch Janáceks „Totenhaus“ zu seinem ersten Premierenerfolg im Amt zu machen. Was für ein Aufschwung beflügelt das Bismarckstraßenhaus, weil ein Intendant dahinter steht, der bei Felsenstein entdeckt hat: „Oper kann Theater sein!“ Als Konkurrenten holt er sich Hans Neuenfels. Auch Udo Zimmermann ist dynamischer eingestiegen, als er nun nach einer einzigen Spielzeit aussieht. Die Berliner Identität sei aus dem Haus nicht verschwunden, sagt er.

Das sollte doch heißen: Nicht kleckern, sondern klotzen! Den Jubiläumsanlass als Geschenk zu begreifen, um die Unverzichtbarkeit gerade dieses Musiktheaters mit einem Ereignis zu verteidigen. Unbegreiflich, dass man stattdessen auf Puccinis „Tosca“ in einer Inszenierung von Boleslaw Barlog zurückgreift: „298. Aufführung seit der Premiere am 13. April 1969“. Die Protagonisten – Maria Guleghina, Nicola Martinucci, Ruggiero Raimondi – recken die Arme, lassen sich nichts zu Schulden kommen und werden gefeiert. Es rieselt der Kalk. Traurigkeit an der Bismarckstraße. Kein Trost nirgends.

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