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Kurzer Flirt. Don Giovanni (A. LarragaSchleske) und Zerlina (N. Nahoun) Foto: dpa

© dpa

Kammeroper Schloss Rheinsberg: Die Rache des Gärtners

Martin Schüler inszeniert „Don Giovanni“ für die Kammeroper Schloss Rheinsberg. Den Betrachter lässt das seltsam kalt.

Eigentlich herrscht in Mozarts bedeutendster Oper „Don Giovanni“ kein Mangel an Emotionen, Gefühlsausbrüchen, Leidenschaft. Doch Martin Schülers Regie zum 20. Jubiläum der Kammeroper Schloss Rheinsberg lässt den Betrachter trotzdem seltsam kalt. Das liegt am Einheitsbühnenbild. Schüler, der als Intendant in Cottbus zuletzt eine starke Interpretation von Schumanns „Genoveva“ vorgelegt hat, bestückt das Heckentheater mit Grabsteinen. Sicher, der Tod spielt in „Don Giovanni“ eine wichtige Rolle, das Werk beginnt mit einem Mord und endet mit einer Höllenfahrt, und im zweiten Akt treffen sich Don Giovanni und Leporello auch auf einem Friedhof. Aber warum Schüler aus der Vielzahl der Handlungsorte ausgerechnet diesen als Kulisse des Abends auswählt, bleibt unklar. Das Werk wird so auf eine Dimension festgelegt, eben die des Todes, obwohl Mozart und sein Librettist da Ponte in „Don Giovanni“ doch ein ganzes Panorama menschlichen Lebens zeigen.

Zwar versteht es Schüler, die Bühne innerhalb des starren Rahmens in Bewegung zu halten, seine Inszenierung ist von liebevollen Einfällen und gelungener Personenregie im Detail geprägt – etwa wenn Don Giovanni bei „La ci darem la mano“ Zerlina langsam im Futter seines enormen Mantels verschwinden lässt –, bleibt im Ganzen aber trotzdem unentschlossen. Besonders am Ende. Während der Friedhofsszene tritt der Komtur (Kai Wegner) als Gärtner auf und recht Laub zusammen. Beim anschließenden Fest ist der steinerne Gast dann nur noch zu hören, nicht mehr zu sehen. Schüler lässt ihn einfach weg. Das ist nicht nur inkonsequent, es ist auch billig. Für Regisseure ist die Statue, die dem Frauenverführer die kalte Hand gibt, immer ein szenisches Problem. Aber ganz auf sie zu verzichten, ohne ihre Abwesenheit zu motivieren, hat einen schalen Beigeschmack. Als hätte da einer keine Lust gehabt.

Es gibt weitere Rätsel. Warum werden die Rezitative auf Deutsch gesungen, die Arien aber auf Italienisch und manche Duette und Terzette in der einen, manche in der anderen Sprache? Ein Konzept ist nicht zu erkennen. Wozu zieht der Komtur beim Kampf mit Don Giovanni eine Pistole und schießt ihm, bevor er stirbt, noch eine Wunde in den Bauch, die aber später keine Rolle mehr spielt? Warum tritt Donna Elvira als schwarz gewandete Rachelady mit Reitgerte auf, um dann eine Metamorphose zur Blondine mit weißem Kleid durchzumachen? Und warum trägt Leporello eine Pilotenmaske?

Frederik Baldus, der diesen Leporello singt, ist der Abräumer beim Publikum. Weil er Bühnenpräsenz hat und trotz gescheitelter Haare spitzbübisch und verschlagen wirkt. Er zeigt aber immer wieder gesangliche Unsicherheiten, weil seine Einsätze mehr als einmal zu früh kommen, und er ist kein Bass, wie für diese Rolle eigentlich vorgeschrieben, sondern eher ein hoher Bariton. Deswegen sind in der Schlussszene seine extrem tiefen Töne nicht mehr hörbar. Sein Chef, gesungen von Alejandro Larraga Schleske, entspricht mit schwarzer Haarmähne, hohen Stiefeln und stattlicher Brustbehaarung dem Klischeebild eines Don Giovanni, was in Gegensatz steht zur braven Schönheit und Ebenmäßigkeit seines Gesangs, dem alles Verruchte abgeht. Der Mexikaner bringt zwar einen Zug des Fremden und Fremdländischen in die Rolle ein, bleibt allerdings vor allem in den Rezitativen wenig impulsiv – und trägt damit genauso dazu bei, die Betriebstemperatur des Abends abzukühlen wie Ekkehard Klemm, der die Brandenburger Symphoniker umsichtig, aber auch unaufgeregt und ohne dramatische Spitzen dirigiert. Vollends das Klischee bedienen muss Manuel Günther. Sein Ottavio ist genau der zaudernde Langeweiler, den man in dieser Rolle immer sieht.

Bei den drei Damen läuft Norma Nahoun als Zerlina mit lagensicherem, blühendem Sopran Astrid Kessler (Elvira) und Ekaterina Kudryavtseva (Anna) den Rang ab, Christoph Heinrich überzeugt vor allem spielerisch als humpelnder, gedemütigter Masetto. Warum Schüler, der sich so viel Mühe gegeben hat, den Tod als prägenden Zug dieser Oper zu etablieren, Don Giovannis Höllenfahrt am Ende dann doch recht konventionell in Form einer Erschießung abhandelt – das ist das letzte Rätsel, das dieser Abend aufgibt.

Wieder am 10., 11., 13. und 14.8., 20 Uhr

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