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Kultur: Kampf gegen Terror: Keine Frage der Solidarität: Internationale Abkommen regeln die Auslieferung mutmaßlicher Straftäter - und verbieten sie, wenn die Todesstrafe droht

Nach der Verhaftung des Marokkaners Mounir El Motassadeq unter dem Verdacht der Beihilfe zu den Terroranschlägen am 11. September stellt sich nun auch für die deutschen Behörden das Problem, wie mit ihm und anderen Verdächtigen zu verfahren ist.

Nach der Verhaftung des Marokkaners Mounir El Motassadeq unter dem Verdacht der Beihilfe zu den Terroranschlägen am 11. September stellt sich nun auch für die deutschen Behörden das Problem, wie mit ihm und anderen Verdächtigen zu verfahren ist. Manches spricht für ihre Auslieferung in die Vereinigten Staaten: Ein Verfahren in Deutschland, das von vielen US-Informationen über den Zusammenhang des Terrornetzes abgeschnitten sein dürfte, wäre mit erheblichen Risiken behaftet. Nicht nur die Todesstrafe macht es den Deutschen - und anderen europäischen Verbündeten der USA - jedoch schwer, in diesem Fall "uneingeschränkte Solidarität" zu üben. Auch die nicht nur in Europa, sondern verstärkt auch im US-Kongress kritisierten militärischen Ausnahmegerichte, die Präsident Bush zur Aburteilung von mutmaßlichen Terroristen einrichten will, machen eine Auslieferung an die USA problematisch.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror Afghanistan: Wege jenseits der Bomben Bundeswehr-Einsatz: Deutschland und der Krieg Fotostrecke: Krieg in Afghanistan Deutschland ist bei dieser Entscheidung in vielerlei Hinsicht rechtlich gebunden, und zwar nicht nur nach nationalem, sondern auch nach europäischem und internationalem Recht. Deutschland ist gemäß internationalen Verträgen und verbindlichen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zur Zusammenarbeit mit den USA bei der Strafverfolgung verpflichtet. Keines dieser Instrumente verpflichtet jedoch zur Auslieferung. Deutschland hat sich aber in dem Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Staaten vom 20. Juni 1978 zur Auslieferung von mutmaßlichen Straftätern verpflichtet, wenn diese auf dem Hoheitsgebiet der USA eine auslieferungsfähige Straftat begangen haben, wobei ausreichend ist, dass der Erfolgsort der Straftat in den USA liegt.

Kategorisches Verbot

Ausgeschlossen ist eine Auslieferung jedenfalls nach Artikel 16 Grundgesetz und Artikel 7 des Auslieferungsabkommens, wenn es sich um deutsche Staatsbürger handelt. Nach seiner Änderung im vergangen Jahr erlaubt Artikel 16 zwar eine Überstellung von Verdächtigen an ein internationales Gericht und an Länder der Europäischen Union, nicht aber an die USA. Das ist nicht so fernliegend, ermittelt der BGH doch angeblich auch gegen Deutsche.

Ein wichtiges Hindernis, das jeder Auslieferung entgegensteht, ist die Todesstrafe. Das deutsche Recht verbietet kategorisch eine Auslieferung bei drohender Todesstrafe, und der deutsch-amerikanische Auslieferungsvertrag macht hier eine Ausnahme von der Auslieferungspflicht. Nur im Falle einer von Deutschland als ausreichend betrachteten Zusicherung, die Todesstrafe nicht zu verhängen oder zu vollstrecken, kann ausgeliefert werden. Solche Zusicherungen sind bisher stets eingehalten worden. So wird auch in anderen Staaten Europas verfahren, seit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Ende der 80er Jahre die lange Verweildauer in Todeszellen vor einer Vollstreckung als Verstoß gegen das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention wertete und eine Auslieferung in einem solchen Fall ausschloss.

Das von den meisten europäischen Staaten ebenfalls ratifizierte sechste Zusatzprotokoll zur Menschenrechtskonvention sowie das von Deutschland mitinitiierte Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte schließen die Todesstrafe in Friedenszeiten generell aus. Damit dürfte, ganz unabhängig von der Behandlung der Todeskandidaten eine Auslieferung ausgeschlossen sein, wenn die Verhängung der Todesstrafe droht. Schwieriger ist festzustellen, welche Auswirkungen die Einrichtung der von Präsident Bush angeordneten Militärgerichte auf ein Auslieferungsbegehren hätte. Das Grundgesetz kennt zwar in Artikel 101 ein generelles Verbot solcher Ausnahmegerichte. Fraglich ist aber, ob dies eine Auslieferung ins Ausland ausschließt, wenn solche Gerichte dort zuständig wären. Richtigerweise wird man dies von ihrer konkreten Ausgestaltung abhängig machen.

Garantierte Mindeststandards

Die geplanten Militärtribunale in den USA, die weitgehend geheim verfahren und keine klare Trennung zwischen Exekutive und Judikative kennen, dürften jedenfalls nicht dem hier zu fordernden, auch international garantierten Mindeststandard gerecht werden. Der Auslieferungsvertrag mit den USA schließt sogar vollständig aus, Ausgelieferte vor Sondergerichte zu stellen. Fazit: Die Vereinigten Staaten haben es durch die Erteilung einer Zusicherung, die Todesstrafe nicht anzuwenden, sowie den Einsatz ihrer ordentlichen Gerichte weitgehend selbst in der Hand, ob Deutschland die mutmaßlichen Helfershelfer der Terroristen des 11. September an sie ausliefern kann.

Andreas Paulus

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