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Kultur: Kampf gegen Terror: Kurzer Prozess

Die USA sinnen auf Rache - nicht nur militärisch. Auch juristisch rüsten die Amerikaner gegen den Terrorismus.

Von Lutz Haverkamp

Die USA sinnen auf Rache - nicht nur militärisch. Auch juristisch rüsten die Amerikaner gegen den Terrorismus. Präsident George W. Bush plant die Einrichtung von Militärtribunalen, vor denen mutmaßliche ausländische Terroristen in verkürzten Verfahren mit eingeschränkten Rechten der Verteidigung abgeurteilt werden können. Nach Belieben kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Wer vor dem Kriegsgericht erscheinen muss, entscheidet der Präsident allein - und nach eigenen Vorstellungen.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror Afghanistan: Wege jenseits der Bomben Bundeswehr-Einsatz: Deutschland und der Krieg Fotostrecke: Krieg in Afghanistan Dieses Schicksal würde auch dem Marrokaner Mounir El Motassadeq blühen, der in Deutschland in Haft sitzt und der im dringenden Verdacht steht, die Terroranschläge vom 11. September mit organisiert zu haben. Doch eine Auslieferung an die USA ist unwahrscheinlich - weil sie mit deutschem und internationalem Recht nicht zu vereinbaren wäre. Dennoch, der erste Härtetest läuft: In London hat der Auslieferungsprozess gegen den 27-jährigen Lofti Raissi begonnen. Dem Algerier wird vorgeworfen, den Terrorpiloten vom 11. September Flugunterricht gegeben zu haben. Raissi bestreitet alle Vorwürfe.

"Es ist sehr problematisch, El Motassadeq oder andere mutmaßliche Terroristen an die USA auszuliefern", sagt die ehemalige Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. "Wenn man ihm die Beteiligung an den Anschlägen von New York und Washington nachweisen kann, droht ihm dort die Todesstrafe. Bei uns gilt der Grundsatz, dass dann nicht ausgeliefert werden darf." Und auch für die geplanten Militätribunale hat die FDP-Politikerin und Bundestagsabgeordnete wenig übrig: "Da soll sehr gestrafft unter absoluter Verkürzung jeglicher Rechte abgeurteilt werden. Gegen solche Gerichte habe ich erhebliche Bedenken."

Selbst in den USA ist die erstmalige Einrichtung von Militärgerichten nach dem Zweiten Weltkrieg heftig umstritten. Der ehemalige Berater von Präsident Nixon, William Safire, nannte das Vorhaben der Bush-Regierung in der "New York Times" einen "Akt diktatorischer Gewalt". Die Militärtribunale verstießen gegen alle grundlegenden Prinzipien, auf denen die Vereinigten Staaten gegründet seien, sagte der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter. Und UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson erklärte, die USA stellten das von ihrer eigenen Verfassung garantierte Recht auf ein faires Verfahren in Frage. Die Befürworter verweisen darauf, dass sich die USA im Krieg befänden und es nur folgerichtig sei, Feinde vor ein Kriegsgericht zu bringen. Als Mitglieder von Terrororganisationen könnten sie nicht den gleichen Schutz der amerikanischen Verfassung beanspruchen wie Angeklagte in einem gewöhnlichen Strafverfahren.

"Keine Ausnahme machen"

Die Entschlossenheit der Amerikaner stößt auf wenig Gegenliebe. "Was gibt es Entschlosseneres", sagt Leutheusser-Schnarrenberger, als die Terroristen in Deutschland vor Gericht zu stellen? Die bekommen, wenn man ihnen ihre Verbrechen nachweisen kann, lebenslänglich." Auch Norbert Geis, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht keine rechtliche Grundlage, Terroristen, denen die Todesstrafe droht, auszuliefern. Aber ein Prozess in Deutschland könne durchaus Probleme mit sich bringen. "Die Innere Sicherheit wird damit nicht gestärkt", sagt der Rechtsanwalt. "Ich will den Teufel nicht an die Wand malen. Aber Befreiungsaktionen und Erpressungen haben wir in Deutschland schon erlebt." Geis wäre es deshalb lieber, El Motassadeq und andere Verdächtige könnten ausgeliefert werden - für wahrscheinlich hält er es nicht. "Wir wollen uns an unsere eigene Rechtsordnung halten, auch wo es uns nicht angenehm ist. Wir werden hier keine Ausnahme machen können."

So schnell US-Präsident Bush die Einrichtung von Militärtribunalen plant, so zögerlich sind die Amerikaner bei der Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes. Einen entsprechenden Beschluss haben 120 Länder 1998 in Rom gefasst. Bevor der Gerichtshof seine Arbeit beginnen kann, müssen 60 Staaten das Statut ratifizieren. 46 haben das bisher getan - doch die USA blockieren. "Es ist schlimm, dass die Amerikaner nicht mitmachen und dem sogar entgegenwirken", klagt Leutheusser-Schnarrenberger. Nur dort könne es transparent und nachvollziehbar gelingen, alle Menschenrechtsverletzer und Mörder der Welt zur Verantwortung zu ziehen.

Der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon erklärte gestern im britischen Fernsehen, den mutmaßlichen Terroristenführer Osama bin Laden den Vereinigten Staaten übergeben zu wollen - wenn ihm nicht die Todesstrafe drohe. In den USA könne bin Laden am besten vor Gericht gestellt werden, so Hoon, allerdings seien mit einer möglichen Auslieferung nach seiner Festnahme Bedingungen verknüpft. Für die Amerikaner wohl ein Albtraum: Denn ein öffentlicher Prozess vor einem ordentlichen Strafgericht würde bin Laden eine breite Plattform für eine Märtyrer-Propaganda bieten. Und gar ein Schuldspruch könnte an winzigen formal-juristischen Gründen scheitern. Das alles, so weiß Präsident Bush, würde mit einem schnellen, geheim tagenden Militärgericht verhindert.

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