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Kultur: Kapital der Komödie

Rüdiger Schaper über das Berliner Bühnensterben

Jetzt also die Theater am Kurfürstendamm. Kürzlich erst stand die Tribüne vor dem Aus, das Hansa Theater ist pleite, selbst die Schaubühne beklagt finanziellen Aderlass. Das ICC wackelt, die Deutsche Oper hat sich in die Opernstiftung gerettet, und die Staatlichen Schauspielbühnen sind schon lange Geschichte. Auch die Akademie der Künste gehört in diese dunkle Reihe: Ihr Niedergang begann am Hanseatenweg, lange vor dem Umzug zum Pariser Platz.

Fast ausnahmslos sind es kulturelle Institutionen im Westteil Berlins, die um ihr Überleben kämpfen oder diesen Kampf bereits verloren haben. Die Gründe sind von Fall zu Fall so unterschiedlich, wie es in einer Großstadt nur sein kann. Bei den Wölffer-Bühnen liegt es nicht an der mangelnden Subventionierung durch den Senat. Komödie und Theater am Kurfürstendamm haben sich über die Jahrzehnte weitgehend selbst getragen – und es gelang dort zuletzt ein erfolgreicher Generationswechsel, in der Leitung wie im Unterhaltungsangebot.

Der Wandel verursacht Schmerzen, und wenn es bloß Phantomschmerzen sind. Der Ku’damm ohne Wölffer-Bühnen? Kaum vorstellbar. In Mitte ist ein ähnliches Phänomen zu beobachten: In den letzten Tagen vor dem geplanten Abriss formiert sich rund um den Palast der Republik der Widerstand. Jetzt geht es nicht mehr so sehr um ein diffuses DDR-Erbe, sondern um Freiräume, die bildende Künstler und Performance-Artisten auf dem Schlossplatz verteidigen. Das findet man in keiner anderen Metropole, nur in Berlin: Keine europäische Hauptstadt hat , so scheint es, hat in den vergangenen hundert Jahren so viel durchgemacht; Zerstörung, Wiederaufbau, Teilung, zahlreiche Doppelexistenzen, die mit der Wiedervereinigung in Schieflage gerieten und zum Teil von der Bildfläche verschwanden. So viel Wandel, Wachstum, Paradigmenwechsel – und doch oder deshalb sind die Beharrungskräfte in dieser Stadt stark wie nirgendwo sonst.

Nur auf den ersten Blick erscheint es paradox – die Wölffer-Theater sollen weg, während sich der Kurfürstendamm als Geschäftsachse erholt hat. Also spekulieren jetzt die Banker mit dem Ku’damm-Karree. Die Politik vermag da wenig. Etwas passiert, was immerzu erwartet und gefordert wurde. Es wird investiert. Bloß an der falschen Stelle. Da, wo es weh tut.

In der Bar jeder Vernunft hat man jetzt „Cabaret“ wieder aufgenommen – ein Beispiel, dass das Entertainment in Berlin nicht stirbt. Es entwickelt sich nach den Möglichkeiten. Im Sommer wird ein Privatunternehmer den Admiralspalast wiedereröffnen. Für die Wölffers und ihr Publikum ist das kein Trost, für den Organismus einer Großstadt nicht ungewöhnlich. Theater ist das Medium der Langsamkeit. Es findet seinen Weg.

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