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Kultur: Kapriziös, mit Pathos

Der schwärmerisch russische Klangstil und harmonische Farbreichtum der Klaviermusik von Rachmaninow liegen der jungen, 1971 in Moskau geborenen Pianistin im Blut.Maria Ivanova begann ihren Soloabend im Meistersaal mit zwei Stücken aus den Moments musicaux von Sergej Rachmanonow.

Der schwärmerisch russische Klangstil und harmonische Farbreichtum der Klaviermusik von Rachmaninow liegen der jungen, 1971 in Moskau geborenen Pianistin im Blut.Maria Ivanova begann ihren Soloabend im Meistersaal mit zwei Stücken aus den Moments musicaux von Sergej Rachmanonow.An den technischen Eruptionen, an der emotionsgesättigten und der etwas schwerblütigen Musizierhaltung der jungen Künstlerin spürt man sofort die russische Klavierschule.Einige Wünsche blieben allerdings auch dabei offen.Denn einiges in ihrem Spiel klang noch zu unausbalanciert, zu bombastisch.

Das kräftig benutzte Pedal hatte dabei allerhand zu verdecken.Unwillkürlich mußte man daran denken, wie der ebenfalls 1971 in Moskau geborene Jewgenij Kissin bei den russischen Meistern in die Tasten greift, welch musikalisch sinnerhellenden, also ausgesprochen modernen Stil und schallplattenreifen Schliff er dabei an den Tag legt.Diese junge, charmant und unbefangen auftretende Dame bevorzugt erstaunlicherweise ein recht altmodisch wirkendes, nahezu theatralisches Pathos, in dessen Schwere so manches Detail allzu schnell unterzugehen droht.

Was auch bei der in vielem imposanten, aber letztlich noch zu wenig herausfordernden, zu wenig spannungsvoll differenzierten und ausgeloteten Interpretation von Liszts h-Moll-Sonate der Fall war.Sicherlich konnte einem bei der Liszt-Sonate mit den riesenhaften Schwierigkeiten, mit den von allen Pianisten gefürchteten legendären Oktav-Passagen nicht entgehen, daß Ivanova über ungewöhnliche spieltechnische Veranlagungen verfügt, daß sie eine jugendlich unbefangene Verve, aber auch eine ausgeprägt lyrische Klangsensibilität bei den kontemplativen Partien ins Spiel einbringt.Gleichwohl vermißt man noch zu sehr den persönlichen Fingerabdruck, die fesselnde geistige Klarheit und Intensität des Gestaltens - und nicht zuletzt den großen Eindruck, auf den es eben auch ankommt.

Von Mussorgskis "Bildern einer Ausstellung" bleiben bei Maria Ivanovas Spiel vor allem einige schöne Einzelheiten in Erinnerung.Da ging zwar ebenfalls der große Zusammenhang verloren, aber hier erfreute doch besonders die kapriziöse Zuspitzung, mit der Maria Ivanova beispielsweise den bitteren kleinen Streit der spielenden Kinder im Pariser Tuileriengarten darbot - oder wie sie das scherzo-artige Ballett der "Küchlein in ihren Eierschalen" schwerelos und fidel auf den schwarzen und weißen Tasten dahinflattern ließ.

Die launigen Vorschläge, die kessen Triller, das komische Picken und Piepsen kamen hübsch heraus.Die zerrissenen Seelenlandschaften und Abgründe des Mussorgski-Zyklus liegen ihr weniger.Dem "Gnomus" fehlte der wirklich schmerzerfüllt groteske und bedrückende Zug einer gequälten, kleinen Kreatur.Auch das tragikomische Gezänk von "Samuel Goldenberg und Schmuyle" kennt man von anderen Pianisten scharfzüngiger interprestiert.Trotz der dröhnenden Akkordtürme beim "Großen Tor von Kiew" wirkte die Wiedergabe insgesamt nicht übermäßig anregend.Mancher wird dabei vielleicht sogar an die finessenreiche Orchesterfassung von Ravel gedacht haben, obwohl doch gerade eine große Wiedergabe der genialen Originalfassung für Klavier den stärksten Eindruck hinterläßt.

ECKART SCHWINGER

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