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Kultur: Kaputtgespart

Das Musiktheater in Brandenburg/Havel schließt: mit der Uraufführung einer Oper über Kleist

Schon im Anfang lauert das Ende. Mit Wasser beginnt diese Oper über Heinrich von Kleist, mit einem gewöhnlichen See, an dem sich der Dichter und sein Freund Ernst von Pfuel nach langer Trennung wiedersehen. In der Bühnentiefe schimmert eine auf Leinwand projizierte Wasseroberfläche. Und dort, in den Fluten, endet sie auch. Im November 1811 bringt sich Kleist gemeinsam mit seiner Freundin Henriette Vogel am Wannsee um. Er wird nur 34 Jahre alt. Doch in seinem kurzen Leben hat er ein Werk geschaffen, das wie ein Monolith in der deutschen Literaturgeschichte steht. Seine Dramen und Erzählungen sind sperrig, weder klassisch noch romantisch, seine Figuren zerrissen wie er selbst, rastlos, immer auf der Suche nach dem Glück. Er nimmt die Moderne vorweg.

Ein Leben, das durchaus opernwürdig ist – zumal der Dichter aus der Region stammt, er wurde in Frankfurt (Oder) geboren und starb in Berlin. Bei der neuen Oper „Kleist“, die am Sonnabend im Theater von Brandenburg an der Havel uraufgeführt wurde, ist auch eine gehörige Portion Lokalpatriotismus dabei. Doch leider spiegelt die Produktion die Brandenburger Verhältnisse noch auf eine ganz andere Weise wider. Sie ist nämlich die letzte ihrer Art: Die Sparte Musiktheater wird abgewickelt, als Folge des Theaterverbundvertrages.

Der war einst Ergebnis der Sparidee, die Häuser von Frankfurt (Oder), Potsdam und Brandenburg an der Havel zusammenzulegen. Von der Oder sollte das Staatsorchester kommen, aus der Landeshauptstadt das Sprechtheater, und ausgerechnet vom kleinsten Haus in Brandenburg/Havel die aufwändigste Kunstform, das Musiktheater. Das konnte nicht gut- gehen. „Der Vertrag war schlecht berechnet“, sagt Intendant Christian Kneisel, „wir haben nie annähernd die Mittel bekommen, die wir gebraucht hätten.“ Mit „Kleist“ endet also eine Ära. Brandenburger, die Oper erleben wollen, müssen künftig nach Berlin oder Cottbus fahren – oder auf die Potsdamer Musikfestspiele im Sommer warten.

Wie Kulturpolitiker, die ihren Sparzwängen nicht entrinnen können, wirken auch die Figuren in „Kleist“. Ihre Bewegungen sind von vornherein eingeschränkt. Dafür sorgt ein großes Gitterraster, das an Seilen hängt, sich absenkt, wieder hochgezogen wird: schwankender Boden für diejenigen, die darauf stehen, und ein Gefängnis der Seelennöte für diejenigen, die sich darin bewegen müssen (Regie: Bernd Mottl). Librettistin Tanja Langer hält sich nicht sklavisch an Kleists Biographie und vermeidet Detailsucht. Stattdessen will sie in vier großen Szenen zeigen, was dessen Charakter ausgemacht hat: Das Changieren zwischen den Welten, die Kräfte von Anziehung und Abstoßung in imaginären Begegnungen mit Romantikern in den Salons von Berlin, die französische Gefangenschaft, in der er „Marquise von O.“ und „Penthesilea“ schreibt, schließlich Armut und Selbstmord.

Leider besitzt der isländische Bariton Thorbjörn Björnsson nicht genug Stimme und Bühnenpräsenz für die Hauptrolle. Man zittert und leidet nicht, freut sich und liebt nicht mit diesem blassen Kleist. Ganz anders die Partitur von Rainer Rubbert. Sie ist das eigentliche Ereignis dieses Abends. Mit einer urwüchsigen Stärke, mit aufregenden Klängen, mit differenziertem Instrumenteneinsatz ist sie Ausdruck jener Kleist’schen Nervosität, die man auf der Bühne allzu oft vermisst. Michael Helmrath am Pult arbeitet mit den Brandenburger Symphonikern die Details und Klangfarben dieser Musik sehr deutlich und plastisch heraus. Der Komponist ist ein groß gewachsener Mann. Beim Schlussapplaus überragt Rubbert alle anderen.

Wieder am 5. April im Hans-Otto-Theater Potsdam (19.30 Uhr), am 2. Mai (19.30 Uhr) sowie am 4. Mai (15 Uhr) im Brandenburger Theater.

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