zum Hauptinhalt

Kultur: Karstadt, zum letzten

Die Frühjahrsauktionen der Villa Grisebach glänzen mit einem Weltrekord

Zwei brillante Sammlungen, die die Villa Grisebach bei ihren aktuellen Frühjahrs- Auktionen offerierte, bescherten dem Haus ein Triumph auch mit der Nachkriegsmoderne. Bereits Freitagvormittag kamen 70 Bilder, Grafiken und Skulpturen, die der 2010 verstorbene Düsseldorfer Modeimpresario Dolf Selbach über fünf Jahrzehnte zusammengetragen hatte, zum Aufruf. Nach anfänglichem Zögern bei den ersten Losnummern gewann die Sonderauktion mit Will Baumeisters 1950 entstandenem „Schwebend auf Gelb mit Elipse“ an Fahrt: Es wurde im Rahmen der oberen Taxe für 120 000 Euro zugeschlagen.

Im bis auf den letzten Platz besetzten Saal spielte Serge Poliakoffs „Composition abstraite“ die erwarteten 220 000 Euro ebenso ein wie Ernst Wilhelm Nays „Zénith“ (240 000 €). Die Schätzungen kräftig überflügeln konnte ein informelles Ölbild von Georges Mathieu bei 145 000 Euro. Zum absoluten Überraschungslos des Vormittags wurde Igor Mitorajs „Il Centurione“ von 1986. Die auf lediglich 15 000 Euro geschätzte Bronze des polnischen Künstlers puschte ein Italiener auf einen Hammerpreis von 1480 00 Euro. An zahlreichen Telefonen heiß umworben waren Andy Warhols Portrait von Dolf Selbach, das mit 105 000 Euro die Taxe verdoppelte sowie ein Torso des Pop-Künstlers, der von 120 000 auf 210 000 Euro kletterte.

Für Hochspannung sorgte Lucio Fontana. Nach einem koketten Aufruf mit 200 000 Euro konnte sein frühes „Concetto spaziale“ die obere Taxe von 500 000 Euro hinter sich lassen, und ab 700 000 Euro hatten zwei Saalbieter sämtliche zehn Konkurrenten ausgeschlagen. Den Endspurt um die mit Löchern durchbrochene Leinwand von 1956 fochten der Herr und die Dame am Telefon in einem langen Kampf bis 820 000 Euro aus, die der aus London angereiste Privatsammler bewilligte, unter Beifall des Saales und für den stolzen Gesamtpreis von 1,4 Millionen Euro.

Für Günther Ueckers „Kleines Feld“ (1976) gingen schon die Schriftgebote bis zur oberen Taxe von 180 000 Euro. Kurz danach stieg ein deutscher Privatbieter im Saal ein, der das dynamische Nagelbild bis zum Hammerpreis von 380 000 Euro verteidigte. Inklusive Aufgeld dürften die 463 600 Euro einen kontinentaleuropäischen Rekord für ZERO-Künstler bedeuten. International begehrt war auch Fernando Boteros „Bonjour, Monsieur Botero“. Es war auf 500 000 Euro geschätzt, dann rangen zwei hartnäckige Bieter um das Ölbild von 1982 mit der typischen Botero-Figur. Ein Saalbieter aus Südamerika schüttelte bei 570 000 Euro ungläubig den Kopf, bot aber weiter mit. Erst bei 590 000 Euro gab er sich geschlagen und überließ Boteros Hommage an Gustave Courbet für 719 800 Euro einem deutschen Sammler am Telefon.

Der Trend zur Nachkriegskunst setzte sich bei den 79 „Ausgewählten Werken“ fort. Ernst Wilhelm Nays „Chromatische Scheiben“ von 1960 setzten sich mit einem neuen Weltrekordpreis an die Spitze der Abendauktion und verdrängten damit Ernst Ludwig Kirchners „Stilleben mit Ente und Schnepfen“, das als Favorit gehandelt worden war und mit einer zu hohen Erwartung keinen neuen Besitzer fand. Um Nays fast dreieinhalb Meter breites Scheibenbild aus der Sammlung des einstigen Karstadt-Konzerns rangen mindestens sieben Bieter, von denen sich schlussendlich ein Berliner Privatsammler mit 915 000 Euro inklusive Aufgeld durchsetzte und damit den bisherigen Nay-Rekord mehr als verdoppelte.

Gleich im Anschluss erzielte eine um 1959/60 entstandene „Raumplastik“ des Düsseldorfer Bildhauers Norbert Kricke mit insgesamt 488 000 Euro einen weiteren, weltweiten Rekordpreis. Spitzenlos der klassischen Moderne wurde August Mackes „Drei Akte“ (1913), das ein deutscher Privatsammler bei insgesamt 707 600 Euro weit über die obere Schätzung hob. Kräftig zulegen konnten Max Pechsteins farbintensive „Nordische Landschaft“, die mit 366 000 Euro die Taxe verdoppelte, sowie der vor wenigen Jahren wiederentdeckte Maler Rudolf Bauer. Sein in der Nachfolge Kandinskys stehendes „Contrast“ (1924) kletterte von 120 000 auf 305 000 Euro inklusive Aufgeld. Neben souveränen Ergebnissen für Emil Nolde, Lyonel Feininger oder Hannah Höch, deren Collage von 1925 die Schätzung bei einem Hammerpreis von 85 000 Euro verdoppele, musste man in der Klassischen Moderne allerdings auch einige empfindliche Rückgänge verbuchen. So wartet Max Liebermanns „Biergarten“ weiterhin auf einen neuen Liebhaber. Bereits mit den ersten drei Auktionen konnte die Villa Grisebach die Erwartungen übertreffen und erzielte noch vor den beiden heutigen Versteigerungen einen Gesamtumsatz von mehr als 16,8 Millionen Euro. Mit über 900 Losnummern, die bei der Kunst des 19.-21. Jahrhunderts und im Third Floor zum Aufruf kommen, dürften sich nach Schätzung noch einmal mindestens fünf Millionen hinzugesellen.

Den Auftakt der in diesem Jahr fünfteiligen Frühjahrsauktionen machte traditionsgemäß die Fotografie, die am Donnerstag mit einem soliden, wenngleich wenig spektakulären Bruttoergebnis von 591 700 Euro abschloss. Höhepunkt war eine neunteilige Fotoarbeit von Bernd und Hilla Becher. Die „Fördertürme, Schuylkill County, PA, USA“ konnten die Schätzung nahezu verdreifachen und brachten inklusive Aufgeld 70 700 Euro.

Villa Grisebach, Fasanenstr. 25; Auktionen am 28.6.: Kunst des 19.-21. Jahrhunderts, ab 10 Uhr; Third Floor. Schätzwerte bis 3000 Euro, ab 15.30 Uhr.

Zur Startseite