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Kate Bush

© AFP

Kate Bush feiert grandioses Comeback in London: Auferstehung als lässige Diva

Kate Bush ist aus dem Mutterschaftsurlaub zurückgekehrt und gab in London erstmals seit 35 Jahren wieder ein Konzert. Damit schuf sie ein grandioses Comeback zu ihren Bedingungen - und rührte die Besucher zu Tränen.

Vor 35 Jahren verschwand sie, elfenschlank, fast noch ein Teenager, von der Bühne des Londoner Hammersmith Odeon. Nun heißt es Hammersmith Apollo, und Kate Bush kehrt als lässige Diva zurück. Die ätherische Feensängerin der siebziger Jahre mit der irren Stimme ist nun eine 56-jährige Mutter, deren 16-jähriger Sohn Bertie hinten im Back-Up-Chor singt. Immer noch barfuss, aber nun eine Urmutter, mit einer Stimme „unbelastet vom Vergehen der Zeit“, wie der Kritiker des „Independent“ bestätigt, und die „Daily Mail“ freute sich nach dem Konzert: „Das Alter hat unsere Kate nicht verblühen lassen.“

Es war das Comeback aller Comebacks, in England mit einer Hysterie erwartet, die sogar das Warten auf die durch Michael Jacksons Tod vereitelte „This is it“-Tour 2009 oder die auf andere Weise flach gefallene Monty Python Reunion in den Schatten stellte. 77 000 Tickets für 22 Auftritte waren in 14 Minuten verkauft. Wer nicht das Glück hatte, ein Ticket zu ergattern, tanzte allein im Schlafzimmer zu „Wuthering Heights“. Alle zehn (bald elf) Platten von Kate Bush stürmen in den Albumcharts nach oben und sind derzeit in den Top 100. Im Apollo war eine auserwählte Schar von Glücklichen unter sich. Für die anderen bloggten die Websites der Zeitungen über den Beginn der Tour „Before the Dawn“ (vor der Morgendämmerung), allen voran der seit Tagen vor Bush-Begeisterung fiebernde „Guardian“.

So erfuhren wir, dass Bush ohne Schnickschnack begann, dann die ganze Traumsuite „The Ninth Wave“ aus dem Album „Hounds of Love“ und nach der Pause die Suite „A Sky of Honey“ von „Aerial“ sang und mit „Cloudbusting“ als zweiter Zugabe endete. Drei Tage hatte sie sich im Wassertank der Pinewood Studios für die Geschichte von der über Bord gefallenen Frau filmen lassen, die nun zwischen Leben und Tod im Meer schwimmt und singt „let me dream of sleep“. Adrian Noble von der Royal Shakespeare Company führte Regie, es war, so die Kritiker, „das ambitiöseste, aber wirklich bewegendste Stück von theatralischem Pop, das man je auf einer britischen Bühne gesehen hat“.

"Wow Wow Wow"

Die Reaktionen waren einhellig enthusiastisch: „Wow Wow Wow“ schrieben die Zeitungen, ein Triumph, twitterten die Fans, und niemand fasste die Schau so gut zusammen wie der anonyme Besucher, den die BBC fürs Morgenprogramm befragte: „Alle Elemente waren da, in der ersten Hälfte das Wasser, in der zweiten die Luft, sie ist so sehr mit Natur verbunden, und das ist eine sehr feminine Sache. Ich spürte, wie der Mond mich anzog, sie war in Harmonie mit allem, die Atmosphäre war kosmisch, absolut wunderbar.“ Bushs Show begann mit „Lily“, einem Gebet an die Sonne. Fotografieren und Filmen war streng verboten. Keine Handys sollten sich störend zwischen Kate und ihr Publikum schieben, und bisher ist tatsächlich kaum ein Schnippelchen auf You-Tube erschienen. Auch im digitalen 21. Jahrhundert setzte Kate Bush ihre ureigene Version von New Age Pop durch.

Schon das „Warten auf Kate Bush“ – Titel eines Romans von John Mendelssohn (2004) – war für die Fans ein mystisches Erlebnis, in das die Lebensläufe einer ganzen Generation einflossen. Bush war gerade 20, als sie 1979 die „Tour of Life“ machte, abgesehen von Pub-Auftritten mit der Band ihres Bruders Paddy, Bushs erste und letzte Liveshow. Im Jahr zuvor war sie mit dem Emily-Bronte- Song „Wuthering Heights“ zur Nummer 1 aufgestiegen – der erste, selbst geschriebene Number-One-Hit einer Frau in der Popgeschichte. Die Plattenfirma wollte den Song eigentlich auf die B-Side verbannen, weil er keinen Refrain hat.

Zum Konzert nach Hammersmith war damals im Hippie-bemalten Morris Minor die 19-jährige Studentin Jeanette Winterson unterwegs, heute Schriftstellerin und naturverbundene Feministin. „Wuthering Heights“, erinnert sie sich auf den Fan-Seiten des „Guardian“, habe ihr bewiesen, dass „Poesie, Musik und Feminismus die Welt vor Boybands und Elektro-Pop, toten weißen Männern und dem Geld retten werden“.

Kate Bush, der Urquell von Originalität in Zeiten der "Unterwerfung"

Die Autorin Zoe Williams lobt Bush als Urquell von Originalität in einer Zeit der „Unterwerfung“ von Frauen durch die „schmierigen 50-jährigen Typen“ der Entertainment-Industrie, die aus einer jungen Frau ein Bild für sexuelle Lust machen, nur damit diese dann von linken Feministen und Sozialkonservativen kritisiert werden, weil sie „zu nackt oder, schlimmer noch, zu dünn sind“. Kate Bushs lyrischer Romantizismus dagegen sei „die authentische Schöpfung ihrer Autorin, nichts hängt hier an den Fäden der Marketing-Typen“.

Bush hat sich diese Authentizität nicht durch Gegenmanipulation gesichert wie Madonna oder Lady Gaga, sondern durch Rückzug und Mutterschaftsurlaub. Eine apokryphe Geschichte beschreibt, wie der Chef der Plattenfirma sie besucht und fragt, was sie für das neue Album geschafft habe. Sie öffnet den Kühlschrank und nimmt einen Kuchen heraus. „Ich bin privilegiert, ein so normales Leben zu leben“, sagt sie dem „Mojo“-Magazin in einem ihrer wenigen Interviews. „Es ist wichtig für mich, die Wäsche zu machen“. Dass Kate Bush nun ein Comeback zu ihren Bedingungen geschafft hat, macht den Auftritt so kostbar. Viele Besucher, berichtet die BBC, seien zu Tränen gerührt gewesen.

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