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Kultur: Kein Scheck bei Kerzenschein! - Podiumsdiskussion mit dem Kunstsammler Paul Maenz

Der Verein der Freunde der Berliner Nationalgalerie stiftet in diesem Jahr zum ersten Mal einen mit 100 000 Mark dotierten Preis für junge Kunst, der im Herbst verliehen werden soll. Die großzügige Ankündigung hat neben Zustimmung auch Einwände erfahren, was den Verein der Freunde dazu veranlasste, heute Abend um 20 Uhr in der "Deutschen Guggenheim Berlin" eine Podiumsdiskussion zu veranstalten.

Der Verein der Freunde der Berliner Nationalgalerie stiftet in diesem Jahr zum ersten Mal einen mit 100 000 Mark dotierten Preis für junge Kunst, der im Herbst verliehen werden soll. Die großzügige Ankündigung hat neben Zustimmung auch Einwände erfahren, was den Verein der Freunde dazu veranlasste, heute Abend um 20 Uhr in der "Deutschen Guggenheim Berlin" eine Podiumsdiskussion zu veranstalten. Zu den Teilnehmern gehört der renommierte Kunstsammler Paul Maenz, der sich in einem kritischen Brief an den Generaldirektor der Staatlichen Museen gewandt hatte. Hier einige Auszüge

Scheint nicht die Preisidee selbst bereits konservativ, jedenfalls wenig originell? Entspricht sie nicht eher der Generation der Ideengeber - eine Generation, zu der ja auch ich gehöre - als den aktuellen Berliner Verhältnissen? Denn das neue Berlin, das sich zielstrebig zur zeitgenössischen deutschen Kunsthauptstadt von internationalem Belang hochgearbeitet hat, kennzeichnet vor allem ihr virulenter Werkstattcharakter. Ihm sind das Berliner Festivaldenken der Mauerjahre oder die sporadischen Zeitgeist-Highlights mit ihren anschließenden Erholungspausen gänzlich fremd. Harter Kunstalltag, nicht subventionierte Höhepunkte bestimmt die aktuelle Situation.

Der Graben, der praktisch wie emotional die Nach-Wende-Szene vom offiziellen Kunstberlin trennt, ist tief. Ein - zudem irrational hoch dotierter - Lorbeerkranz samt festlichem Charity-Dinner würde diesen Graben nicht schließen, im Gegenteil. Als "Event" lenkt der Preis davon ab, dass das offizielle Berlin trotz des hiesigen Überangebots hellsichtiger junger Köpfe an den internationalen Gegenwartsdiskurs noch immer kaum angeschlossen ist. Um es noch deutlicher zu sagen: Es geht der jungen Kunst in Berlin schlecht, nicht nur wirtschaftlich. Was ihr ebenso elementar fehlt, sind informierte, interessierte Partner auf Seiten der Berliner Institutionen, die nicht über der Situation schweben, sondern die am Geschehen auf Augenhöhe beteiligt sind.

Auch weiß jeder, wieviel die bereits sprichwörtliche gesellschaftliche Aktivität der Freunde der Nationalgalerie über die Jahre für Berlin bewirkt hat. Trotzdem - wäre es nicht auch an der Zeit und der radikal veränderten zeitgenössischen Berliner Kunstwirklichkeit angemessen, den Strom der Freunde allmählich in Richtung dieser neuen Wirklichkeit umzulenken? Während millionenschwere Rückerwerbungen versuchen, Lücken zu schließen und an die - historisch zerrissene - Tradition der Moderne anzuschließen, böte sich vor Ort inzwischen die Möglichkeit, Grundlagen für eine neue Tradition zu legen. Es wäre tragisch und irreparabel, wenn das enorme zeitgenössische Angebot jener zehn, zwanzig ernst zu nehmenden Berliner Avantgarde-Galerien samt der von ihnen vertretenen internationalen Künstlergeneration an Berlin vorbeiginge. Wenn die ja tatsächlich existierende, berlinspezifische "Zwei-Klassen-Gesellschaft" nicht weiter auseinander driften soll, würde ein partnerschaftliches Zusammenwirken unendlich mehr bewirken als jede noch so hoch dotierte Auszeichnung von Einzelfiguren.

Erlauben Sie mir, noch ein praktisch-konstruktives Beispiel als Alternative zum geplanten Kunstpreis zu nennen? Zumindest deutet es die Zielrichtung an: Wenn schon wunderbare 100 000 Mark zur Verfügng stehen - warum lässt man sie nicht "arbeiten", indem man zum Beispiel mit einer solchen Summe jährlich wechselnde, junge europäische Kuratoren verpflichtet?

Die Aufgabe wäre, jeweils einen thematisch definierten "Maßanzug" zu schneidern, um der hiesigen Situation einen spezifischen kulturellen Mehrwert zu erwirtschaften. Das heißt, regelmäßige, spannend-kontroverse, international ausgerichtete Veranstaltungen mit junger Kunst, fußend auf der Drehscheiben-Dynamik dieser Stadt, ausgerichtet von Vertretern der betreffenden Generation und getragen von den großen Berliner Häusern. Die sich daraus ergebende Diskussion, weit über Berlin hinaus, wäre vermutlich ergiebiger als ein bei Kerzenschein überreichter Scheck.

Paul Maenz

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