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Kultur: "Kein Schloss und kein Palast. Etwas Neues muss her!"

Kultur und Wissenschaft sind Berlins Attraktion und Zukunftspersepektive. Inzwischen aber blickt Finanzsenator Sarrazin so tief ins bodenlose Haushaltsloch, dass auch der Kultur- und Wissenschaftsetat entgegen den Wahlversprechen von SPD und PDS weiter gekürzt werden soll.

Kultur und Wissenschaft sind Berlins Attraktion und Zukunftspersepektive. Inzwischen aber blickt Finanzsenator Sarrazin so tief ins bodenlose Haushaltsloch, dass auch der Kultur- und Wissenschaftsetat entgegen den Wahlversprechen von SPD und PDS weiter gekürzt werden soll.

Der im Senat beschlossene Haushaltsentwurf lässt einen Zusammenhang klar erkennen: dass die notwendigen Absenkungen von jährlich 352 Millionen Euro in einer direkten Korrelation zu den 300 Millionen Risikovorsorge stehen, die Berlin allein durch die Übernahme der Immobiliengeschäfte der Bankgesellschaft treffen muss. Das wirft ein Licht auf das Verhältnis von Wahlversprechen und der Notwendigkeit, jetzt einen Haushalt zustande zu bringen. Die Koalition hat aber nach den Äußerungen von Herrn Sarrazin deutlich gemacht, dass der Koalitionsvertrag gilt. Es ist nicht Sache des Finanzsenators, Wahlversprechen zurückzunehmen.

Trotzdem, das Wahlversprechen, Kultur wird nicht gekürzt, ist passé.

Angesichts der neu aufgelaufenen Haushaltsdaten wird es so modifiziert, dass weiterhin eine Priorität gesetzt wird bei Wissenschaft, Bildung und Kultur - und diese Bereiche nun nur die Hälfte von dem einsparen müssen, was für die anderen Ressorts gilt.

Personalkosten sind das Hauptproblem. Wenn Sie in ihrer eigenen Verwaltung Stellen einsparen, kommen die frei werdenden Gelder dann überhaupt dem Kulturetat zugute?

Wir haben beschlossen, dass in allen Verwaltungen 20 Prozent Personal abgebaut wird innerhalb dieser Legislaturperiode. Insofern hilft mir das in dem für Kulturproduktion bedeutsamen Teil meines Etats nichts. Das sind Summen, die wir zusätzlich erbringen müssen. Aber der Kulturbereich muss natürlich daran interessiert sein, dass es einen Soldidarpakt mit den Gewerkschaften gibt. Es darf allerdings keine Solidargemeinschaft der nicht mehr lebensfähigen Institutionen werden, sondern wir müssen jene Bereiche identifizieren, die leistungsfähig sind und diese Bereiche stärken. Von den anderen werden wir uns verabschieden beziehungswise deren Potenzial in anderer Form neu konzentrieren. Es wird mit mir weder die Rasenmähermethode geben noch das Szenario nächtlicher Senatssitzungen, in denen Katastrophenentscheidungen getroffen werden wie einst beim Schiller-Theater.

Der Rat für die Künste hat als Entscheidungshilfe jüngst ein Beratergremium unter dem Stichwort "Forum Kultur" vorgeschlagen.

Ich will die Idee gerne unterstützen. Für die Aufstellung des Haushalts 2002 / 2003 ist es fast zu spät, aber strukturelle Erörterungen bis 2005 sind erforderlich.

Heißt das, die Kulturszene evaluiert sich am Ende selber?

Nein, neben den Betroffenen müssen auch unabhängige Fachleute von außen auf die Stadt schauen. Dabei ist der Senator dann der erste und intensivste Zuhörer. Gleichzeitig müssen wir uns fragen, warum Ansätze, die es in der Richtung schon gab, wie das Papier der Opernintendanten von Zürich, München und Stuttgart, gescheitert sind.

Haben Sie Ihre Probleme mit Kulturstaatsminister Nida-Rümelin besprochen?

Es gab letzte Woche eine erste, sehr vertrauensvolle Begegnung im Kanzleramt. Mein Bestreben ist es, Berliner Interessen einzubringen - anders als in der Vergangenheit: nicht durch Provokationen und Erpressungen, sondern über inhaltliche Verständigung.

Und beim nächsten Treffen haben Sie eine Begehung der Staatsoper verabredet...

(lacht) Mhm.

Obwohl schon einige größere Häuser strukturell unterfinanziert sind, wollen Sie auch die Off-Szene eher verstärkt fördern.

Nach der Haushaltslogik werden zunächst jene Institutionen befriedigt, die Zuschussverträge haben. Dann greifen sich die Kameralisten jene Mittel, die noch verfügbar sind - und das sind die Zuwendugnen an freie Träger. Dazu darf es nicht kommen. Wir haben mit dem Finanzsenator verabredet, dass wir eine Sammelvorlage in den Hauptausschuss einbringen, die auch in Zeiten der vorläufigen Haushaltswirtschaft eine Auzahlung der Projektfördermittel an freie Träger wie Off-Bühnen, Tanztruppen oder Chöre vorsieht. Gemessen an den nötigen Einsparungen sind das winzige Summen, die aber katastrophale Folgen für die Vielfalt der Berliner Kulturlandschaft hätten.

Ohne den Bund ist Berlin nicht zu retten. Also müssten Sie auf einen neuen Hauptstadtkulturvertrag dringen.

Ich bin hoffnungsfroh, was das Ergebis einer Debatte über die historisch gewachsenen Kompetenzen des Bundes in Berlin betrifft. Denn ich habe eine entspanntes Verhältnis zu einer wachsenden Kulturkompetenz des Bundes in Berlin und habe nie den eifersüchtigen West-Berliner Blick auf den Bund verstanden, von dem man nur Geld haben will, der aber nicht hineinreden soll.

Die Philharmoniker nicht an den Bund abzugeben, war eine Piefke-Entscheidung?

Es war eine krasse Fehlentscheidung, die jetzt leider nicht reparierbar ist. Da wurde eine Chance vertan. Ebenso enttäuscht darüber, dass der von der CDU gestellte Antrag zur Übernahme der "Topographie des Terrors" im Bundestag abgelehnt wurde - obwohl die "Topographie" im inhaltlichen Zusammenhang zu dem wesentlich vom Bund getragenen Holocaust-Mahnmal die gesamtstaatliche Verantwortung betrifft.

Wenn Sie aber an den Bund appellieren, versetzt Ihre Parteizugehörigkeit den Bundeskanzler nicht gerade in Geberlaune.

Das ist doch ein gut kommunizierbares Poblem: Die Bundes-SPD muss entscheiden, wie wichtig sie die PDS nimmt und wie wichtig ihr Berlin ist.

Wie ernst nehmen Sie denn die Sorgen in der Bevölkerung und bei anderen Politikern über die Mitregierung der PDS in Berlin?

Zunächst scheint es ja meine Funktion zu sein, als Projektionsfläche all dieser Ängste zu dienen. Darum auch das zwiespältige Echo auf meine Wahl. Ich fände es gut, wenn am Ende des rot-rote Regierungsexperiments ein größeres gegenseitiges Verständnis stünde; vielleicht hat diese Konstellation einen katalysatorischen Effekt.

Reden Sie denn beispielsweise mit ehemaligen Bürgerrechtlern der DDR, die diese PDS-Regierung empört und verletzt?

Ich will diese Gepräche führen, habe sie auch früher schon geführt. In die Phase der Antrittbesuche gehören auch Besuche bei den Kirchen und den Gedenkstätten, die sich mit der Unterdrückung in der DDR beschäftigen. Sie können sicher sein, dass der Umgang mit unserer Geschichte einer meiner zentralen Zugänge zu Kultur und Stadtpolitik darstellt.

Auch nach innen: in die PDS?

Es ist in der PDS in den letzten Jahren mehr passiert, als öffentlich wahrgenommen wird. Man hat sich immer gefragt, wie es gelingen konnte, historische Erklärungen einer reformwilligen Parteiführung zu verabschieden, ohne dass die Basis davonläuft. Dafür muss man die internen Debatten der PDS kennen. Und ich habe an der Erklärung zum Mauerbau wie auch zur Vereinigung von KPD und SPD maßgeblich mitgearbeitet.

Stadtentwicklung ist Ihr Berufsfeld. Bei allen Reden von der Berliner "Metropolenkultur" kommt aber nie ein wirklich ästhetischer Begriff vor. Bei der Stadtentwicklung ist nie von der Stadtverschönerung die Rede - und das angesichts einer Hinterlassenschaft der DDR-Baupolitik, die oft der ästhetischen Bestrafung der Bevölkerung gleicht.

Sie werden sich nicht wundern, dass ich diese Auffassung nicht teilen kann und sehr wohl ein historisches Verständnis von ästhetischer Kultur der DDR habe. Es kommt drauf an, die Geschichtlichkeit der beiden Teilgesellschaften Berlins städtebaulich als Erbe anzunehmen, sie kulturell zu lesen. Schönheit ist der Ausgang aus der Zeit des Schreckens, nicht die Vollendung. Die Stadt ist für mich keine Versammlung von klassischen Topologien, die jeweils für sich beanspruchen, das "Schöne" zu repräsentieren. Meinem Begriff von Stadt entspricht es, auch die Brüche zu akzeptieren.

Aber man muss darum nicht nur auf den Narben leben. Es gibt doch Vorstellungenvon der europäischen Stadt, die eine andere Urbanität des Zusammenlebens ermöglicht als amerikanische Downtowns bei Nacht oder post-stalinistische Plattenbau-Wohnsilos am Tag.

Sie unterstellen sowohl eine Anthropologie als auch eine bestimmte historische Sicht, die allgemein gesetzt wird. Dass der Alexanderplatz, so wie er jetzt an seinen Rändern ausfranst, eine Katastrophe ist, ist klar. Die Nachkriegsmoderne hat aber nicht nur im Ostteil der Stadt Spuren hinterlassen, die Ihnen nicht gefallen werden. Kurz gesagt: Ich bin für Weiterbauen und Umbauen - nicht für Rückbauen!

Sie selber leben in einem Berliner Altbau. Finden Sie die Platte eine Errungenschaft, die man denkmalpflegerisch erhalten muss?

Ja, da gibt es einiges, was erhalten werden sollte.

Hm. Kein Rückbau: Was heißt das für den Schlossplatz?

Weder Hohenzollernschloss noch Palast der Republik, sondern eine zeitgenössische, zukunftsgerichtete Lösung - in Kenntnis und Erinnerung an Schloss und Palast!

Die aktuelle Misere schreit nach dem Berliner Witz. Haben Sie eine Losung, die Sie jetzt durch den Tag bringt?

Mir fällt eigentlich nur der alte jüdische Spruch ein: Wir sind zu arm, um uns das Sparen leisten zu können.

Kultur, Wissenschaft sind Berlins Attraktion un

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