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Kultur: Keine Kompromisse

Umjubelter Start: Der Pianist András Schiff spielt in Berlin alle Beethoven-Klaviersonaten

Seinen Fans gilt er als Gegenpapst, als Prediger der reinen Lehre, als Erlöser vom Starrummel der allgegenwärtigen Eventkultur. Mögen die Schallplattenfirmen mit gigantischem Werbeaufwand Jungstars wie Lang Lang oder Hélène Grimaud zu massenkompatiblen Yellow- Press-Lieblingen hochpushen: András Schiff kann die neue Medienwelt nichts anhaben. Der 53-jährige Ungar wird als kompromissloser Werkexeget verehrt, ein Intellektueller, der nichts gelten lässt außer dem Notentext, zugleich Deuter und Diener der Partitur.

Als Bach-, Haydn- und Mozart-Interpret wurde Schiff berühmt, sein Schubert-Zyklus bei den Berliner Festwochen 1997 ist vielen noch im Gedächtnis. Mit Beethoven hat er sich lange Zeit gelassen: „Die 32 Sonaten waren für mich immer wie ein Anzug, in den ich noch hineinwachsen musste“, erklärte Schiff vor zwei Jahren im Tagesspiegel-Interview, als er bei einem Benefiz-Konzert der Hochschule „Hanns Eisler“ erstmals in Berlin seinen Blick auf den Wiener Klassikers vorstellte. Für das Kenner- und Liebhaber-Label ECM nimmt András Schiff Beethovens Sonaten derzeit auf – nachdem er jedes Werk mindestens 15 Mal öffentlich gespielt hat. Drei Doppel-CDs liegen bereits vor.

Auf Einladung der Berliner Philharmoniker kann Schiff jetzt alle 32 Beethoven- Klaviersonaten live im Kammermusiksaal präsentieren: Vier Konzerte gibt er bis zum Juni, der Rest folgt ab Herbst 2008. In der Spielzeit 2007/2008 wird er „Pianist in residence“ bei den Philharmonikern sein.

Zum Start des Zyklus am Mittwoch sind die 1100 Plätze voll besetzt. Ein seltener Anblick. Und ein klares Statement. In Berlin hat András Schiff eine eingeschworene Fangemeinde. Die Aura eines aus der Zeit Gefallenen umgibt den Ungarn, wenn er mit goldener Uhrkette zum Frack die Bühne betritt. Auch seine Art sich zu verbeugen wirkt so höfisch- höflich, als wolle er gleich im feinsten k.u.k.-Tonfall ein „Habe die Ehre“ näseln. Sein Spiel dagegen springt den Zuhörer geradezu an, sowohl in den drei Stücken aus Op. 2 wie auch in der Es-Dur Sonate Op. 7. Scharf umrissene Themen, wuchtige Bässe, herausgemeißelte Akzente. Beethoven als Rohkost.

András Schiffs Interpretationen sind Analyseergebnisse. Worauf es ihm ankommt, ist die Struktur. Um sie dem Publikum klar zu machen, überbetont er Nebenstimmen und Überleitungen, charakteristische Bassverläufe und Melodielinien wie jemand, der beim Schreiben den Stift so fest aufsetzt, dass sich die Buchstaben auf die Unterlage durchdrücken. Emotion gestattet sich Schiff dagegen keine, auch dort nicht, wo Beethoven für ihn auf Schubert vorausweist. Wie er in den langsamen Sätzen in Opus 2 Nr. 3 und der Es-Dur-Sonate das Tonmaterial behandelt, es dehnt und staucht, explodieren und wieder in sich zusammensinken lässt, das streift dann doch die Grenze zum Manierismus.

András Schiff setzt seinen Zyklus am 20. Februar, 20 Mai sowie 15. Juni fort.

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