zum Hauptinhalt
Über Religion reden, darf jeder, der Bescheid weiß. Dieser Meinung sind Lutz von Rosenberg Lipinsky und Kerim Pamuk.

© Promo

Kerim Pamuk und Lutz von Rosenberg Lipinsky im Interview: Mein Gott, dein Gott

Einer ist Muslim, der andere Christ, jetzt zeigen sie in Berlin ihren interreligiösen Showkampf „Brüder im Geiste“. Die Kabarettisten Kerim Pamuk und Lutz von Rosenberg Lipinsky über Glauben und Humor.

Herr Pamuk, Herr von Rosenberg Lipinsky: Ist Ihnen mulmig zumute, weil sie ausgerechnet jetzt – so kurz nach den Pariser Anschlägen – mit religionskritischer Satire bei den Wühlmäusen auftreten?
LIPINSKY: Das ist natürlich eine Frage, die sich an mich richtet, der Moslem muss sich da erst mal keine Sorgen machen. Nicht Herr Pamuk macht die schwierigen Witze, sondern ich als Unbeteiligter.

Unbeteiligt? Das ist in Ihrem Schlagabtausch „Brüder im Geiste – Kabarett zwischen Kreuz und Koran“ doch keiner, weder Christ noch Muslim.
LIPINSKY: Stimmt. (lacht) Klar haben wir uns erschreckt, als uns auf dem Weg zur Probe die Nachricht vom Anschlag auf „Charlie Hebdo“ erreichte. Wir haben das später auch mit Blick auf die Sicherheitslage in Deutschland besprochen und sind dann zu dem Schluss gekommen – wir fühlen uns davon nicht bedroht. Im Gegenteil: Unser Programm kann ein Beitrag sein, die Schärfe aus der überhitzten Diskussion rauszunehmen.

PAMUK: Und die Dummheit! Ich habe schon nach meinem Soloprogramm „Burka und Bikini“ Drohmails von türkischen Muslimen bekommen, die sich beleidigt fühlten. Aber auch von Christen. In Hannover-Langenhagen sind mal drei empörte deutsche Omas aus der Show gelaufen, weil sie meinten, dass ich Jesus verunglimpft hätte, was ich nicht tue. Eigentlich müsste jeder, der unsere Show sieht, begreifen, dass wir keine billigen Provokateure sind, die jemanden verhöhnen wollen. Deswegen hält sich meine Furcht in Grenzen. Frankreich ist nicht Deutschland, die gesellschaftlichen Bedingungen sind hier anders.

Aber aktualisiert haben Sie das Programm nach Paris schon?
PAMUK: Ja, aber das Thema Fundamentalismus ist sowieso ein wichtiger Teil.

LIPINSKY: Erst mal gilt es ja auch, die schrecklichen Ereignisse mit Respekt und Trauer zu begleiten und nicht sofort zu kommentieren. Teilweise schadenfrohe oder rechthaberische Kommentare von seiten der AfD oder von Dieter Nuhr halte ich doch für sehr unangemessen.

Wie überarbeiten Sie ihre Texte, spitzen Sie an oder entschärfen Sie, sprich spüren Sie die berühmte Schere im Kopf?
PAMUK: Ich möchte anspitzen, mein Freund Lutz will entschärfen. (lacht) Nein, weder noch, beides wäre die falsche Reaktion. Sich jetzt als Kabarettist in die Hosen zu machen ist genauso ein Fehler, wie jetzt erst recht auf eine Religion draufzuhauen.

LIPINSKY: Die Idee zu „Brüder im Geiste“ ist schon zwei, drei Jahre alt. Und unsere Absicht ist nicht, sich die Richtung – wie in der öffentlichen Debatte – von extremistischen Positionen im Islam oder Christentum vorgeben zu lassen, sondern zu informieren. Beispielsweise darüber, wie viele Parallelen es zwischen beiden Religionen gibt. Dass es sowohl im Islam wie im Christentum ein großes Schisma gab, also eine Spaltung und Abspaltungen, die mit Konflikten und Radikalisierungen und einem bestimmten Umgang mit Minderheiten einhergingen.

Klingt weniger nach Kabarett als nach Religionsunterricht.
LIPINSKY: Mit humoristischen Mitteln! Wir erläutern unseren religiösen Hintergrund und stellen uns gegenseitig Fragen.

PAMUK: Wir erklären auch, wie Fundamentalismus entsteht und ob er überhaupt mit Religion begründet werden kann. Viele Fanatiker, ob in Paris oder anderswo, kommen aus ähnlichen sozialen Strukturen und haben ähnliche Weltansichten. Das sind gnadenlose Vereinfacher, die im Freund-Feind-Schema denken. Viele Europäer, die beim IS mitkämpfen, sind ja nicht gerade Akademiker und haben den Koran nie in die Hand genommen. Natürlich gibt es darin die Sure 9, Vers 5, die dazu aufruft, den Polytheisten die Kehlen durchzuschneiden. Es gibt aber auch eine exponierte Stelle, in der steht, dass ein Moslem jeden anderen Buchgläubigen respektieren soll. Das ignorieren diese Leute. Das sind alles Dinge, die man demaskieren kann.

Widmen Sie sich dem heißen Eisen Religionssatire, weil Sie gläubig oder weil Sie ungläubig sind?
PAMUK: Ich bin geborener Moslem, alles andere ist privat. Das ist genau die Frage, bei der Religiöse gerne einhaken: „Wenn du nicht gläubig bist, darfst du über meine Religion nicht reden!“ Ich meine aber, dass man die Religion nicht allein den Religiösen überlassen darf. Wer Bescheid weiß, darf über alles reden. Interessant finde ich auch, was heute in Deutschland für ein Graben durch die Bezeichnung „Christen und Muslime“ gezogen wird. Dabei definiert sich die Mehrheit der Orientalen in Deutschland zuerst über ihre Ethnie, nicht über ihre Religion.

LIPINSKY: Ich bin ein gläubiger Protestant. Damit gehe ich aber nicht hausieren, weil das nicht unbedingt eine Qualifikation für Humor ist. Grundsätzlich schien im Kabarett das Thema Religion – abgesehen von ein bisschen Kirchenkabarett und ein paar Papstwitzen – seit Jahren erledigt. So wie das Thema in Deutschland generell als abgeschlossen galt. Jetzt merken wir plötzlich durch die Diskussion über die Extremisten anderer Religionen, dass wir unsere eigene Religionsdebatte nie geführt haben.

Wie sind Sie zueinander gekommen?
LIPINSKY: Wir kennen uns schon seit 20 Jahren, haben beide irgendwann damit angefangen, religiöse Themen in unseren Soloprogrammen zu beackern und dann gemeinsam experimentiert. Eine erste längere Show haben wir auf dem Evangelischen Kirchentag aufgeführt.

PAMUK: Ich war als Exot eingeladen. (lacht) Wir haben beide bemerkt, dass die Leute eine Sehnsucht haben, dieses Heikel-heikel-Samthandschuh-Thema zu erden. Religion ist von Satire nicht ausgenommen. Wir überspitzen, aber wir wollen weder den Propheten noch Jesus bluten lassen.

Sie wollen sich dem „Kulturkampf zwischen Islam und Christentum entgegen stemmen“. Wie funktioniert das?
PAMUK: Mit Bildung, mit historischen Belegen. Das Wissen über „den Islam“, den es so nicht gibt, hält sich nach wie vor in Grenzen. Wir geben den Leuten Rüstzeug mit.

Als jetzt das neue Heft von „Charlie Hebdo“ herauskam, beklagten Würdenträger reflexartig Propheten-Beleidigung: rezipieren Muslime Satire wegen des Bilderverbots im Islam anders als Christen?
PAMUK: Selbstverständlich deckt die Meinungsfreiheit diese Abbildungen. Trotzdem ist das Abbilden von Mohammed in den westlichen Medien inzwischen zu einer Obsession geworden. Quasi als Selbstvergewisserung der eigenen Liberalität. Den liberalen Muslimen in der arabischen Welt oder in Europa geht das am Allerwertesten vorbei, die finden das lustig. Streng Religiöse dagegen fühlen sich verletzt. Aber jeder Gläubige, der in einer Demokratie lebt, muss die Spielregeln akzeptieren und das aushalten, egal welcher Religion er angehört.

Wie steht es generell um den Sinn für Humor bei Christen und Muslimen?
LIPINSKY: Da gibt’s keine Unterschiede, die speziell religiös begründet wären. Da wirken eher unterschiedliche Mentalitäten oder Persönlichkeitsstrukturen. Der eine freut sich mehr über eine nacherzählte Geschichte, in der er sich wiederfindet, der andere über eine intellektuelle Zuspitzung. Beim Humor spielt die Religion nur insofern eine Rolle: Je naiver die persönliche Frömmigkeit ist, desto eher mangelt es an Distanz. Da sind Christen manchmal genauso leicht „beleidigbar“ wie Muslime. Ich habe mich im letzten Soloprogramm mit Weltuntergangsszenarien wie der Arche Noah beschäftigt. Prompt haben mich christliche Pietisten im Siegerland zur Rede gestellt. Bornierte gibt es überall. Das ist keine Frage der Religion, sondern der Kultiviertheit.

Sie beide wahren durchaus auch Distanz oder warum nennt Herr Lipinksy Sie immer ,Herr Pamuk', Herr Pamuk?
PAMUK: Er kann nicht anders. Er ist Protestant. Er muss siezen.

Das Gespräch führte Gunda Bartels.

Das Duo:

Lutz von Rosenberg Lipinsky, 49, geboren in Ostwestfalen, hat Theologie und Popularmusik studiert. Seit 1985 steht er als Kabarettist auf der Bühne, seit 1989 hat er zehn Soloprogramme herausgebracht. Er ist Kolumnen- und Buchautor und lebt mit seiner Familie in Hamburg.

Kerim Pamuk, 44, geboren in der Türkei und mit neun Jahren nach Deutschland gekommen, ist studierter Orientalist. Er arbeitet seit 1997 als Kabarettist und Autor. Pamuk hat diverse Bücher herausgebracht, darunter „Leidkultur“, „Allah verzeiht, der Hausmeister nicht“, oder „Sprich langsam, Türke“. Auch er lebt in Hamburg.

Die Show: Brüder im Geiste, Untertitel: „Kabarett zwischen Koran und Kruzifix“, ist ihre erste gemeinsame Show, die am kommenden Donnerstag um 20 Uhr Premiere im Kabarett Die Wühlmäuse feiert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false