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Kultur: Kinder, macht euch nicht zu fein „Kaisers neue Kleider“

in der Komischen Oper.

Der Prager Frühling war 1962 noch eine ganze Weile hin. Der Kalte Krieg erreichte den Höhepunkt (Kubakrise!), die Kommunistischen Parteien im Warschauer Pakt verfolgten Abweichler mit unerbittlicher Strenge. In jenem Jahr schrieb der tschechische Komponist Miloš Vacek ein „komisches Singspiel“, dass die Machtanmaßung der Herrschenden pointiert aufspießen sollte: „Des Kaisers neue Kleider“, nach dem Märchen von Hans Christian Andersen. In der Tschechoslowakei durfte es nie aufgeführt werden.

Jetzt hat die Komische Oper zugegriffen (Regie: Lydia Steier), und in gewisser Weise bleibt sie mit dieser Uraufführung ihrem eigenen Anspruch treu, für Kinder vor allem neu geschriebene Stücke zu präsentieren – auf der großen Bühne, denn das kleine Publikum soll genauso ernst genommen werden wie das große. Dem frisch gekürten „Opernhaus des Jahres“, dem kleinsten der drei Berliner Häuser, dürfte es auch leichter fallen, die Plätze zu füllen als der Deutschen Oper, die ihre Kinderreihe in der Tischlerei zeigt.

Vacek hat in bester tschechischer Tradition, Smetana und Dvorák fortführend, süffige Melodien komponiert, die auf alten Volksweisen basieren; Uwe Sandner am Pult des Orchesters der Komischen Oper bringt sie mit Leidenschaft zum Blühen. Librettist Miroslav Homolka hat den Figuren von Andersens Märchen Namen gegeben: Der Kaiser heißt (in der deutschen Fassung von Ulrich Lenz) Maximilian von Eitelstein, wie er selbst ist auch sein Hofstaat versessen auf jede Form von Mode, die Zeit wird in Umkleidestunden gemessen. Vom morgendlichen Aufstehritual des Kaisers bis zur finalen Unterhosenszene ist die Figur bei Carsten Sabrowski bestens aufgehoben.

Seine zickige Tochter Culifinda (Cornelia Zink), die direkt Strauss’ „Salome“ entsprungen sein könnte, singt in biestigen Koloraturen. Als exaltierter Hofmeister mit pomadisiertem Haarbüschel erklärt Philipp Meierhöfer den Kindern im Publikum die Regeln: Auf die Begrüßung „Steht der Kragen?“ hat jeder zu rufen: „Kann nicht klagen!“. Stoffe und Tücher dominieren die Bühne (Benita Roth), hinter jedem Vorhang öffnet sich noch ein weiterer, der doch auch nur die geistige Leere verdeckt, die in diesem Reich herrscht. Das Ganze ist selbstredend auch eine Feier für den Kostümbildner. Alfred Mayerhofer muss man nicht zweimal bitten, er steckt den Chor in Halskrausen, Petticoats, Plateauschuhe, pappt den Sängern schlängelnde Bordüren an und setzt den Sängerinnen Hauben auf, die sich türmen und blähen wie das Opernhaus von Sydney.

Eine grelle Angelegenheit also – aber bei aller Buntheit trotzdem merkwürdig verstaubt und angestrengt inszeniert, als versuche die Regisseurin vor allem, sich daran zu erinnern, was sie in ihrer eigenen Kindheit lustig fand. Störend auch die permanenten Breitseiten gegen gut angezogene Menschen. Klar, das Märchen will die hohle Hülle entlarven, die dahinterstecken kann. Trotzdem ist nicht jeder, der sich Gedanken darüber macht, wie er über die Socken-in-Sandalen-Ästhetik hinauskommt, eitel oder ein Idiot.

Dazu kommt, dass das Stück vor der Pause mit recht viel starrem Hofzeremoniell ermüdet. Das ändert sich im kürzeren zweiten Teil. Da gackern elektronische Hühner auf der Wiese, das einfache Volk macht sich derb über „die da oben“ lustig, auch die Kinder sind stärker in die Inszenierung integriert. Für den zentralen Satz „Der Kaiser hat ja gar nichts an!“ wird ein Mädchen aus dem Publikum geholt. Dennoch bleiben Zweifel, ob „Des Kaisers neue Kleider“ wirklich für Kinder geeignet ist, vor allem wie empfohlen ab sechs Jahren. Vacek dürfte sein Singspiel, das als Parodie auf eine kommunistische Diktatur gedacht ist, möglicherweise gar nicht als Kinderoper konzipiert haben. Tragisch, dass der Komponist selbst die Uraufführung nicht mehr erleben konnte. Er starb 2012. Udo Badelt

wieder am 17. Oktober, 1., 5., 26. und 28. November, jeweils 11 Uhr

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