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Großes Drama. Caleb Followill, Sänger der Kings of Leon, in Berlin.

© DAVIDS

Kings of Leon: Warmer Regen aus Tennessee

Taumel, Tanz und Trance: Die Kings of Leon geben ein Bombastrock-Konzert in der Berliner Waldbühne. Bei den älteren Stücken fliegen die heftigeren Fetzen als bei vielen der etwas pompös angekitschelten neueren Kompositionen.

Schwerer Vorjubel in der knallvoll ausverkauften Waldbühne, während vier Männer über schwindelerregend schwingende Strickleitern in die Takelage über der Bühne klettern und Platz nehmen auf schwankenden Aussichtsposten. Noch stürmischeres Tosen, als sie die Scheinwerfer anwerfen: Band in Sicht! Vier Männer da unten, die aussehen wie ihre eigenen Roadies, unspektakulär in Jeans, T-Shirts, Denim-Jacke.

Die Kings Of Leon aus Tennessee, die sich innerhalb der letzten zehn Jahre höchst erfolgreich entwickelt haben von einer durchschnittlichen Garagenband mit ein paar brauchbaren Songs à la Strokes zu veritablen Stadionrockern mit ganz anderen nett mediokren Kompositionen à la U2. Die jetzt im Konzert strahlen in Licht, Lautstärke und brillantem Sound: „Closer“ als Opener, dicht dran, mittendrin, und trotzdem irgendwie entrückt. Weit weg und unwirklich und ein bisschen unnatürlich in der ganzen Natürlichkeit dieser bodenständigen Jungs. Die wie festgenagelt wirken an Instrumenten und Mikros, zwei riffenden und plirrenden Gitarren, Thunderbird-Bass und donnerndem Schlagzeug.

Und da ist noch ein unerwarteter fünfter Mann im Hintergrund. Mit weiteren Gitarren und Keyboards dickt er das vielleicht sonst etwas zu dünne Klangsüppchen an. Mit fettem Sound bringen die Kings of Leon sich selbst und die Fans zum Schwitzen, trotz abendfeuchter Kühle, und lassen sie auf schwerem Bombast entschweben in andere Sphären. Im Wehen des tausendfach verstärkten Hauches, mit dem Matthew Followill seine dramatisch vors Gesicht gehobene Gitarre beatmet. Oder was macht er da? Beißt er rein? Schlägt die Zähne in die Saiten? Wie einst der große Jimi Hendrix? Dem kann er natürlich nicht das Wasser reichen – muss er ja auch nicht – aber es rattert, knattert und pfeift ganz prächtig.

Sänger Caleb Followill kräht und kratzt

Dazu kommen ein paar fein klingelnde, von The Edge abgeguckte U2-Töne und ein paar heftige Garagen-Riffs, die er mit seinem Cousin Caleb Followill teilt. Der dazu in ausgewaschener Jeansjacke mit ausgewaschener Stimme kräht, kratzt, flirrt, und in sechsfacher Vervielfältigung über parallele Leinwände flimmert und schweres Drama erzeugt. Ohne große Posen, für die ohnehin kein Platz wäre auf der weiten, aber mit Racks, Rigs und Amps völlig zugestellten Bühne. Dahinter riesige Scheiben mit rotierenden Lichtern, die flimmern wie Spielautomaten.

Im gedrängten Innenraum fliegen überschwänglich Bierbecher und Arme. Alle klatschen synchron über den Köpfen und grölen hymnische Refrains mit wie im Fußballstadion. Songs aus allen Schaffensphasen und von sämtlichen Alben der Band. Bei den älteren Stücken fliegen allerdings die heftigeren Fetzen als bei vielen der etwas pompös angekitschelten neueren Kompositionen. „Molly’s Chambers“ und „Holy Roller Novocaine“ vom ersten Album „Youth & Young Manhood“ fluten die Waldbühne mit Energie, dass auch der kurze und heftige Regen zwischendrin in diesem ganzen Taumel, Tanz und Trance niemanden mehr zu stören scheint. „Fans“ hat sich das Sequenzer-Intro von „Baba O’Riley“ der Who geliehen, und mit dickem U2-Gitarrenaufstrich belegt. „Crawl“ als vielleicht bester Song des Konzerts erinnert entfernt an die Psychedelik von „We Love You“ der Rolling Stones.

20 000 Fans lieben an diesem Abend die Kings Of Leon. Auch, wenn auf die Dauer alles etwas gleichförmig wirkt, und als könnten sie nur in einer Tonart spielen. Und auf dem Heimweg schießt einem plötzlich der Gedanke in den Kopf, dass die beiden charmanten Vorgruppen – The Mighty Oaks aus Berlin und The Weeks aus Jackson, Mississippi – doch um einiges origineller waren.

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