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Berry

© dpa

Kino: Die Zeit steht still

Trauerarbeit: „Things we lost in the fire“, das US-Filmdebüt von Susanne Bier mit Halle Berry und Benicio Del Toro in den Hauptrollen läuft in den Kinos an. Eine unpathetische Dramaturgie kennzeichnet diesen Film - und das Glanzstück, mehr als eine Liebesgeschichte zu erzählen. Ein Film über die Zeit, aus der Trauernde herausfallen.

Es sind die kleinen Dinge, die in großen Krisen wichtig werden: eine Tasse Tee, ein heißes Bad, ein Blumenstrauß aus dem Garten können Trauernde nicht heilen, aber ihren Schmerz lindern. Susanne Bier, die Regisseurin von „Things we lost in the fire“, weiß das, und so zeigt die Kamera immer wieder Dinge aus der totalen Aufsicht. Die ungewohnte Perspektive verleiht ihnen Bedeutung; sie werden zu Symbolen eines Heilungsprozesses, bei dem alle Beteiligten sehr viel Geduld aufbringen müssen.

Die Beteiligten, das sind Audrey (Halle Berry), deren Mann Brian, Vater ihrer zehnjährigen Tochter und ihres sechsjährigen Sohnes, bei einer Schießerei ums Leben gekommen ist, und sein bester Freund Jerry (Benicio Del Toro), ein drogensüchtiger ehemaliger Anwalt. Bei der Beerdigung Brians treffen sich die vier zum ersten Mal: Audrey hatte von Brians Loyalität gegenüber dem alten Schulkameraden nie etwas gehalten, zu suspekt erschienen ihr dessen Lebensumstände, die mit den eigenen, geordneten Mittelschichtsverhältnissen so wenig zu tun haben. Jerry wusste das und begegnet Audrey mit Vorsicht. Mit den Kindern jedoch kommt er sofort in Kontakt.

Der Film beginnt mit der Trauerfeier und erzählt von der schrecklichen Zeit danach; kurze Rückblenden werfen Schlaglichter auf die Vorgeschichte, und so wie die greifbare Realität von Erinnerungen immer vager wird, verschwinden auch die Rückblenden bald aus dem Film. Man erfährt, dass Brian ein liebevoller Vater und Ehemann war, der seiner Familie einen angenehmen Lebensstandard ermöglichte, und dass er sich mit bedingungsloser Zugewandtheit um seinen Freund kümmerte, was gelegentlich Anlass für Konflikte mit Audrey bot. Man bekommt eine Idee von dem gewalttätigen Ehestreit eines betrunkenen Mannes mit seiner Frau auf offener Straße, in den sich Brian auf Kosten seines eigenen Lebens einmischte. Und man bekommt eine Ahnung von der Verzweiflung einer Frau, deren gesamtes Lebenskonzept plötzlich zusammenbricht, ähnlich wie es bei Jerry vor ein paar Jahren der Fall war.

Zu beobachten, wie diese beiden zerstörten und in ihrem Elend ums Überleben kämpfenden Menschen sich gegenseitig anziehen und abstoßen, sich unterstützen, aneinander zerren, sich im anderen spiegeln und schließlich den Kampf ums emotionale Überleben – vor allem mit Hilfe der Kinder – gewinnen, ist herzzerreißend. Das liegt einerseits an der unpathetischen Dramaturgie der nach Dogma-Regeln arbeitenden Dänin Susanne Bier („Open Hearts“, „After the Wedding“), die in ihrem ersten amerikanischen Film wohlweislich der Verlockung, eine Liebesgeschichte zu erzählen, widerstanden hat. Andererseits natürlich an den Darstellern: Halle Berry ist eine vor lauter emotionaler Erschöpfung abgestumpfte, nur noch pragmatisch agierende Audrey; Benicio Del Toro als Jerry ist warmherziger, näher dran an seinen Gefühlen, vor denen er sich nur durch den Drogenkonsum zu schützen vermag.

„Things we lost in the Fire“ ist auch ein Film über die Zeit, aus der Trauernde herausfallen. Zeit, die endlos erscheint in schlaflosen Nächten und in den alltäglich wiederkehrenden Momenten des ungläubigen Erschreckens über den Verlust; über die winzigen Abschnitte, in denen Zeit plötzlich gerafft erscheint, weil ein Wort, eine Geste den Schmerz für Sekunden lindert. Susanne Bier hat auch dafür visuelle Metaphern gefunden in ihrem Film, dessen matte Blaugrau-Schattierungen allmählich wärmeren Licht- und Farbtönen weichen. Daniela Sannwald

In Berlin in neun Kinos, OV im Cinestar Sony-Center

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