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Paula (Louane Emera).

© Concorde

Kino-Hit aus Frankreich: "Verstehen Sie die Béliers?": Gehörlos glücklich

Die Eltern und der Bruder sind gehörlos, doch Paula managt den Alltag der Bauernfamilie souverän. Bis sie das Singen entdeckt. Die französische Komödie "Verstehen Sie die Béliers?" erinnert an Caroline Links "Jenseits der Stille". Aber nur von fern.

Ziemlich beste Freunde“ und „Monsieur Claude und seine Töchter“ haben den Glauben hiesiger Verleiher ans französische Kino dramatisch beflügelt. In diesen Wochen starteten von der Vorruhestandsromanze „Sehnsucht nach Paris“ über die Geschlechtersatire „Jacky im Königreich der Frauen“ bis zur sozialrealistischen Liebeskomödie „Heute bin ich Samba“ acht Produktionen aus Frankreich. Dabei überrascht nicht nur die dichte Schlagfolge, sondern auch die Genrevielfalt, mit der sich die europäischen Nachbarn hierzulande präsentieren. Regisseur Éric Lartigau nun bedient eine im deutschen Kino nahezu ausgestorbene Filmgattung. „Verstehen Sie die Béliers?“ ist ein generationsübergreifend unterhaltsamer Familienfilm, der locker auf grüne Oger oder auch aufblasbare Roboter verzichten kann.

Paula (Louane Emera) ist 16 – und in diesem Alter werden Eltern meist als oberpeinlich empfunden. Teenagermarotten aber kann sich die Bauerntochter nicht leisten. Vater, Mutter und ihr jüngerer Bruder sind gehörlos, und folglich ist Paula die soziale Managerin der Familie: Morgens hilft sie im Stall, nach der Schule telefoniert sie mit Futterlieferanten und der Bank. Für Vater Rodolphe (François Damiens) und Mutter Gigi (Karin Viard) fungiert sie als allgegenwärtige Dolmetscherin. Auf dem Markt übersetzt sie den Eltern die Käsebestellungen so routiniert in die Gebärdensprache wie später die ärztlichen Anweisungen zur Behandlung vaginaler Pilzinfektionen.

Die Familie ist sozial bestens verortet

Der Milchbauern-Clan mag ein wenig kauzig wirken, aber im kleinstädtischen Mikrokosmos haben die Béliers ihren festen Platz. Als Rodolphe gegen den amtierenden Bürgermeister kandidiert, wird er von der Familie und von einigen Bauern unterstützt. Während der Vater auf Stimmenfang geht, entdeckt Paula im Schulchor ihre Gesangsleidenschaft. Der Musiklehrer (Eric Elmosino) will sie für die Musikakademie in Paris empfehlen. Aber wie soll Paula den Eltern ihre Lust am Singen begreiflich machen, und wie käme die Familie ohne Paula zurecht?

„Verstehen Sie die Béliers?“ erzählt eine klassische Coming-of-Age-Story unter verschärften Bedingungen. Die Grundidee orientiert sich deutlich an Caroline Links „Jenseits der Stille“, aber Éric Lartigau setzt auf eine entschieden sentimentale Familienkomödie. Ob sich der Erfolg in der Heimat – über sechs Millionen Zuschauer – in Deutschland wiederholt? Der Humor etwa ist weniger grob als in „Monsieur Claude“, wobei allenfalls die Figur des Musiklehrers, angelegt als Gegenentwurf zum gutmütigen Chorleiter in „Die Kinder des Monsieur Mathieu“, für sarkastische Pointen sorgt. Insgesamt vermeidet der Film die simple Lust aufs Burleske, und das ist im neueren gallischen Lustspielwesen keineswegs selbstverständlich.

In Frankreich dürfte auch die großzügige Verwendung von Chansons zum Erfolg beigetragen haben. Und wenn Paula Michel Sardous Jugendlichen-Aufbruchshymne von 1978, „Je vole“ (Ich fliege), singt und für ihre Eltern in die Gebärdensprache übersetzt, bleibt kein Zuschauerauge trocken.

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