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Amir Roughani ist ein erfolgreicher Unternehmer mit leichter Skepsis gegenüber der Energiewende. Aber das hindert ihn nicht daran, in den Wandel zu investieren. Mit seiner Geschichte trägt er den Energiewende-Film "Power to Change".

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Kino: Pellets, Pleiten, Pioniere

Der Film zur Energiewende: Carl A. Fechners Dokumentation „Power to Change“ zeigt die Akteure des Wandels. Die Lebensgeschichten von Amir Roughani und Edy Kraus geben dem Film Spielfilmformat.

Edy Kraus ist ein Überzeugungstäter. Amir Roughani schließlich auch. Dazwischen liegt ein Film. Zu Beginn des Drehs allerdings ist der Geschäftsmann Roughani skeptisch, „ob eine Industrienation wie Deutschland“ nur mit Windmühlen und Solaranlagen versorgt werden kann. Auch Edy Kraus kann ihn nicht begeistern, in eine Pelletieranlage zu investieren, womit er die herbstlichen Blättermassen in den Städten zu Brennmaterial machen will. Am Schluss aber steht Roughani auf einem Gelände in Thüringen, umgeben von seinen Solarpanelen, und die Kamera lässt sein strahlendes Gesicht immer kleiner werden, während sie auf dem Kran Richtung Himmel fährt.

Schon einmal ist Carl A. Fechner mit einem Dokumentarfilm über die Energiewende („Die 4. Revolution“, 2010) ein großer Erfolg gelungen. Mehr als zehn Millionen Menschen haben den in 28 Sprachen übersetzten Film gesehen. In der opulenten Fortsetzung „Power to Change. Die Energierebellion“ nun geht es um die Akteure der Energiewende mit ihren Visionen und Technologien. Roughani und Kraus entwickeln darin – als dramaturgisch relevante Figuren – sogar nahezu Spielfilmqualitäten. Das gefällt Fechner, wie er im Gespräch mit dem Tagesspiegel sagt: „Ich will die Menschen erreichen, die ganz normal ins Kino gehen.“

Eine Reise in die Ost-Ukraine

Mit Amir Roughani ist Fechner in Berlin unterwegs, aus den vier Drehtagen werden schließlich 21. Zunächst wünscht sich der Unternehmer nichts weiter als „ein schönes Haus, ein tolles Leben, Reisen“. Nicht nur Edy Kraus lässt er abblitzen, auch das Öko-Engagement von Axel Uhl, Leiter der Business Transformation Academy von SAP, beeindruckt ihn wenig. „Sie verdienen Ihr Geld doch nicht damit, dass sie Kohlendioxid mindern“, sagt er, „sondern dass Sie ordentliche Quartalszahlen vorlegen“.

Doch dann geht es nach Kiew. Dort trifft sich Roughani nicht nur mit Ganna Gladkykh, die während der Maidan-Revolte Brote für die Demonstranten schmierte, sondern auch mit dem Aktivisten Roman Zinchenko, der die aktuelle Lage der Ukraine als „Energiediktatur“ bezeichnet. Mit Gladkykh fährt er ins Kriegsgebiet im Osten des Landes und erzählt dort, in einem zerstörten Kinderheim, seine Geschichte: Während des iranisch-irakischen Krieges schickten die Eltern den Jungen 1987 nach Deutschland in ein Kinderheim, wo schon sein älterer Bruder lebte. Und hier, in der Ukraine, spürt der einstige Kriegsflüchtling und jetzige Unternehmer nun „große Verantwortung“. Warum muss das Land jedes Jahr 12 Milliarden Dollar für Gasimporte ausgeben?

Der Regisseur Carl A. Fechner (rechts) hat auch beim nie fertig gestellten DDR-Atomkraftwerk in Stendal gedreht. Es ist sein zweiter Energiewende-Film.
Der Regisseur Carl A. Fechner (rechts) hat auch beim nie fertig gestellten DDR-Atomkraftwerk in Stendal gedreht. Es ist sein zweiter Energiewende-Film.

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Zinchenko ist überzeugt, dass Russland den Krieg ausgerechnet mit diesem Energie-Einnahmen in Gang hält. Er weist auch darauf hin, dass sich in der Ostukraine westliche Öl- und Gaskonzerne von Exxon über BP bis zu Shell längst Claims gesichert haben, um dort per Fracking-Technologie Gas zu fördern. Während Roughani meint, die Ukraine habe nur die Wahl, von Russland oder vom Westen abhängig zu werden, rät Hans-Josef Fell, einer der Autoren des Gesetzes über Erneuerbare Energien in Deutschland, dem ukrainischen Umweltminister zur Unabhängigkeit – mithilfe der erneuerbaren Energien.

Der Skeptiker investiert in die Energiewende

Skeptiker Roughani hat derweil längst in die Energiewende investiert. Sein Solarfeld im thüringischen Tautenheim steht auf einem Areal, wo bis 1990 eine Raketenbrigade der NVA stationiert war. Von dort seien während des irakisch-iranischen Krieges sowjetische Raketen an Saddam Hussein verkauft worden. Auch steckt er sein Geld in eine Passivhaussiedlung auf dem Heidelberger Bahngelände. Die so fruchtbare Begegnung mit Roughani führt Fechner nebenbei auf einen glücklichen Zufall zurück: „Die Regieassistentin kannte ihn irgendwoher.“

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Und was ist mit Edy Kraus? Der ist unterdessen über seiner Vision Pleite gegangen. Auf seine Vermittlung hat sein Kunde eine mobile Pelletiermaschine gekauft. Aber sie bringt nicht, was sie bringen soll. „Ich will pelletieren und nicht immer rumschrauben müssen“, sagt er frustriert. Kraus sagt im Film sichtlich getroffen: „Ich war der Täter, er war das Opfer.“ Aber sein Kunde gibt auch nicht auf, beschafft eine andere Pelletiermaschine und als Kraus mit beiden Händen in die Strohpellets greift und strahlt, weil die Maschine schon beim ersten Versuch den geplanten Durchsatz erreicht, lässt das niemanden kalt.

Wie der Berliner ehemalige Langzeitarbeitslose Lutz Machalewski als Caritas-Energieberater einer Frau in Neukölln dabei hilft, Strom zu sparen, und wie er eine Baustelle einer energetischen Sanierung im Märkischen Viertel besucht, wäre einen eigenen Film Wert gewesen.

So ist „Power to Change“ ein buntes Mosaik der Energiewende geworden. Auch Edy Kraus, der Blätterverbrennungsvisionär, wird am Ende zumindest per Umweg glücklich. Mit der eigenen Idee ging er zwar pleite, aber einer seiner Kunden hat mit einer anderen Pelletiermaschine Erfolg – und Kraus strahlt, als er mit beiden Händen in die Strohpellets greift und die Maschine gleich den vorgesehenen Durchsatz erreicht. Schade, dass große Energiekonzerne wie RWE und EnBW sich „trotz intensivster Bemühungen“ (Carl A. Fechner) nicht zu Statements bewegen ließen. Doch sein Publikum findet der privat von engagierten Energiebürgern finanzierte Film allemal.

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