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Kino:   NEU AUF DVD  

LARGO WINCHvon Jérôme SalleFilmagenten wie James Bond oder Jason Bourne sind immer unterwegs und scheinen keinen Schlaf mehr zu brauchen. Sie sind Jetsetfiguren in megaglobalisierten Filmwelten.

LARGO WINCH

von Jérôme Salle

Filmagenten wie James Bond oder Jason Bourne sind immer unterwegs und scheinen keinen Schlaf mehr zu brauchen. Sie sind Jetsetfiguren in megaglobalisierten Filmwelten. Der smarte Kollege aus der französischen Comic-Verfilmung „Largo Winch“ (Sunfilm) ist auch von diesem Schlag: heute Südamerika, Zwischenstopp Kroatien, morgen Vorstandsmeeting in Hongkong. Auch das Böse ist mittlerweile prosaisch geworden: Die Schurken sind jetzt Shareholder. Ihre Ideologie ist das Geld. Der Boss eines Firmenimperiums wird ermordet. Bahn frei also für eine feindliche Übernahme? Vorsicht, da gibt es den verschollenen Adoptivsohn Largo, gerade in Südamerika auf Abenteuerurlaub. Dieser Largo ist der perfekte Mann: Im Dschungel kommt er genauso zurecht wie auf jedem gesellschaftlichen Parkett. Er kann Sachen reparieren, klettern und zuschlagen, er kann charmant sein und Hubschrauber fliegen. Auf einmal muss er Firmenangelegenheiten in den Griff kriegen – und sich nebenbei der Schergen böser Investoren, habgierige Bettgefährtinnen, verschlagener Berater und Vorstandsmitglieder erwehren. Doch eigentlich will er nur wissen, wo er herkommt und wer sein Vater ist. Der Film, sündhaft teuer, macht Spaß: Mainstream-Kino, in dem es gewaltig scheppert und kracht, ohne dabei nur ein Schaufenster für Spezialeffekte zu sein.

IM AUFTRAG DES TERRORS

von Barbet Schroeder

Moralisch windelweich erscheint Jacques Vergès, einer der umstrittensten Rechtsanwälte der jüngeren Geschichte, in Barbet Schroeders Dokumentation von 2007 (Koch Media). Seine Klienten sind bekannte Namen des internationalen Terrorismus: Carlos, allerlei afrikanische Diktatoren und Protagonisten aus dem RAF-Umfeld. Vergès stellt sich selbst als idealistischer Advokat der Entrechteten dar – mit provokanten Meinungen. Die Verbrechen der Roten Khmer in Kambodscha etwa könne er juristisch nicht als Völkermord werten. Nebenbei: Pol Pot war einer von Vergès’ Bekannten aus Studententagen. Diese verstörende Indifferenz zieht sich durch das ganze Leben des Anwalts. Seine prägendste Zeit erlebt er während des Algerienkrieges, als er die Attentäterin Djamila Bouhired vor der Todesstrafe bewahrt. In den Siebzigern verschwand er für acht Jahre, die er „Urlaub“ nennt, von der Bildfläche. Nach seiner Rückkehr fungierte er unter anderem als Anwalt für den Nazi-Verbrecher Klaus Barbie, den „Schlächter von Lyon“. Schroeder gibt Vergès viel Raum zur Selbstdarstellung, den Vergès mit enormem rhetorischen Geschick zu nutzen weiß. Auch die vielen Zeitzeugen verlieren kaum ein schlechtes Wort über ihn, und doch erscheinen dieser Mensch und seine Motive immer fragwürdiger. Es geht dann doch vor allem um Macht und Geld, letztlich um die moralische Indifferenz als Prinzip. Und die vielzitierten Ideale wirken schal im Anbetracht der ekelhaften Nähe, die Vergès zu vielen seiner Mandanten suchte. Spannend wie ein Thriller ist diese brillante Dokumentation, die zugleich als Geschichtsabriss des vergangenen Horror-Jahrhunderts funktioniert. Mit allen irritierenden Grautönen. Karl Hafner

Karl Hafner

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