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Depp

© Disney

3-D-Kino: Das Wunder der Stereoskopie

"Avatar", "Alice" und die Folgen: Die Berliner Kinos rüsten auf 3 D um. Auch die Produktionsfirmen hoffen auf einen neuen Markt.

Marianne Peinert, Rentnerin aus Hohenschönhausen, schaut sich „Avatar“ wegen 3 D an. Dafür lohnt sich, sagt sie, der Weg in die UCI-Kinowelt in Berlin-Friedrichshain an der Landsberger Allee. Rund 40 Zuschauer haben an diesem Mittwochnachmittag im 3-D-Saal Platz genommen, um sich das Weltraumindianer-Epos anzusehen. Mehr als 9,6 Millionen haben den Film in ganz Deutschland gesehen.

Zwar ist „Avatar“ mit nur drei Auszeichnungen der Verlierer der Oscar-Nacht. Aber er hat einen Trend losgetreten, von dem nun auch seine Nachfolger profitieren. Tim Burtons 3-D-Märchen „Alice im Wunderland“ hat am ersten Wochenende 116 Millionen Euro eingespielt, Avatar spielte seinerzeit „nur“ 77 Millionen Euro ein. Der Erfolg von „Alice“ hat jedoch auch damit zu tun, dass immer mehr Kinos umgerüstet werden und so neue Zuschauer erreicht werden.

„Viele ältere Leute schauen Avatar“, sagt UCI-Mitarbeiter Johannes Wagner. Dem letzten Herbst auf 3D umgerüsteten Kinosaal mit 298 Sitzplätzen soll daher ein zweiter folgen. Die Technik ist teuer: 120 000 Euro kosten Abspieltechnologie plus Silberleinwand, erfährt man beim Hauptverband Deutscher Filmtheater.

Rund 20 derart ausgestattete Kinos gibt es in Berlin und Brandenburg, Tendenz steigend. Für die Betreiber können sich die Kosten schnell amortisieren – siehe „Avatar“ und „Alice“. Außerdem nimmt etwa die UCI-Kette für 3-D-Filme einen Aufpreis von 3 Euro. Zwar führen derzeit primär die großen Kinoketten die neue Technik ein, doch kleinere Kinobetreiber ziehen nach.

Was die Produktion von 3-D-Filmen in Deutschland angeht, ist man allerdings zurückhaltend. „Deutschlandweit dürfte es rund hundert schwer Interessierte geben“, schätzt Wolf Bosse von der Berliner Postproduktionsfirma Pictorion/Das Werk. Dazu gehört auch die kleine Produktionsfirma Movie Brats in Friedrichshain, die im Frühjahr den 3-D-Animationsfilm „Water Soul“ herausbringt. Für 2012 avisiert man einen 3-D-Dokumentarfilm an: „Außerhalb der Imax-Kinos gab es bisher keine 3-D-Dokus“, sagt Alex Weimer, einer der drei Independentfilmer von Movie Brats. „Man fühlt sich wie ein Pionier.“

3 D ermöglicht eine besondere Art des visuellen Erzählens mit langen Schnitten und imposanten Landschaftsaufnahmen. Für ihr Projekt mit dem Titel „American Backroom“ wollen die drei alle 50 US-Bundesstaaten bereisen, um eine Momentaufnahme von Amerika, rechtzeitig zu den nächsten Präsidentenwahlen, zu machen.

Warum man in Deutschland bislang eher vorsichtig mit 3-D-Filmen ist, erklären sich die drei auch anhand der Sujets. Bislang ist der Sektor dominiert von Tier- und Landschaftsdokus sowie von Animationsfilmen wie „Ice Age 3“ und „Oben“, etwas Horror á la „Resident Evil“, und Action wie bei „Final Destination 4“. „Stoffe, die in Deutschland nur wenig produziert werden“, sagt Esther Friedrich von Movie Brats. „Man müsste hierzulande erst merken, dass auch Drama auf 3D geht.“

Primär ist es aber natürlich die Geldfrage, die Filmemacher und Investoren abwarten lässt. Rund 1,8 Millionen Euro Kosten kalkulieren die Movie-Brat-Produzenten für „American Backroom“. Das ist zwar für Deutschland eine hohe Summe, aber Camerons „Avatar“ kostete 175 Millionen Euro.

Rund ein Viertel teurer wird ein Film, wenn er stereoskopisch, sprich in 3D, gefilmt wird. Man benötigt zwei Kameras, für jedes Auge eine, so dass die Illusion von Räumlichkeit entsteht. Die zwei Linsen müssen während der Dreharbeiten konstant in zwei Zentimetern Abstand geführt werden (das ist der Augenabstand), was aufgrund der Breite der Geräte eigentlich unmöglich ist. Deshalb drapiert man die Kameras fast aufeinander und arbeitet mit Spiegeln. Während der Dreharbeiten justieren Spezialisten ständig nach. Die „Stereographer“ sind zumeist gelernte Ingenieure, die sich ihr Spezialwissen derzeit mit Gold aufwiegen lassen.

„Für unser Projekt mussten wir zwei Jahre Investoren abklappern“, sagt Holger Hage, Filmproduzent und Regisseur von European Motion Pictures. Sein Mistery-Thriller „The Forbidden Girl“, ein von Edgar Wallace inspirierter 3-D-Film, soll in Berlin und Umgebung gedreht werden. Weitere „Berliner“ Projekte: Wim Wenders arbeitet derzeit an „Pina“, einem 3-D-Film über die 2009 gestorbene Wuppertaler Choreografin Pina Bausch. Gedreht wird in Wuppertal in Kooperation mit dem Berliner Büro von Das Werk und finanziell unterstützt vom Medienboard Berlin-Brandenburg. Und auch die Potsdamer Filmhochschule HFF stürzt sich mit dem Film-Projekt „Topper gibt nicht auf“ ins stereoskopische Getümmel.

Neben Berlin mischen auch Städte wie Köln und München bei 3 D ganz vorne mit. So wird mit „Konferenz der Tiere“ in diesem Herbst ein Animationsfilm der Münchner Constantin in die Kinos kommen, 2011 legt Michael „Bully“ Herbig mit „Wickie 2“ nach. Von dem Boom kann Berlin nur profitieren, sagt Hage: „Hier gibt es viele Kreative, man bekommt leicht Drehgenehmigungen. Auch die Industrie könnte das auf kurz oder lang hierherlocken.“

Die Kinoleinwand ist nur das erste Kapitel. An Weihnachten könnte 3 D verstärkt in Privathaushalte Einzug halten – durch neuartige Fernsehgeräte. Auch im Videospielbereich deutet sich 3 D als Trend bereits an. Das dürfte den Boom füttern, steigert aber auch die Gefahr illegaler Downloads. Unschön für Hollywood: Nach Jahren der Verluste durch Raubkopierer sorgen „Avatar“ und „Alice“ dank des 3-D-Alleinstellungsmerkmals weltweit für steigende Umsätze. Damit ist womöglich schon bald wieder Schluss.

Lars Dittmer

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