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Erde und Asche

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Afghanistan-Film: Die Heimat ist eine Wüste

Leeres Land, leere Blicke: "Erde und Asche" von Atiq Rahimi erzählt von Kriegsfolgen in Afghanistan.

Ein rot-weißes Bündel leuchtet in sandiger Einöde. Es gehört dem Großvater des kleinen Yassin, der ein paar Habseligkeiten in ein Tuch gepackt hat. Das bescheidene Gepäckstück ist der einzige Farbfleck in der Wüstenstaublandschaft, die er mit dem Enkel durchwandert: eine kaum erkennbare Straße, sanfte Hügel, eine Brücke mit kaputtem Geländer, die über ein ausgetrocknetes Flussbett führt. Da steht ein Wachposten, der das Niemandsland schützt. Im Schatten eines zerschossenen Panzers haben sich eine tief verschleierte Mutter und ihre Tochter verkrochen. Und einen Laden gibt es, dessen Besitzer auf Kunden lauert, die niemals kommen. Großvater und Enkel warten auf einen Lastwagen, der sie zur Kohlegrube bringen soll, wo Yassins Vater arbeitet. Vom sengenden Sonnenlicht durch einen Betonblock abgeschirmt, hockt der Alte auf den Fersen; das Kind schläft. Manchmal vertreten sie sich die Beine, dann plappert der Junge und hüpft herum, während der Alte schweigt. Erst später wird klar: Yassin ist seit einem Bombenangriff taub.

Mit langen, statischen Kameraeinstellungen, kaum sichtbaren Fahrten und weiten Landschaftstotalen vermittelt der in Frankreich lebende, afghanische Regisseur Atiq Rahimi sehr viel mehr als Tristesse oder auch nur die großartig-bizarre Schönheit der Szenerie. Er zeigt die Leere als Folge eines seit Jahren dauernden Krieges, in dem afghanische Armee, Nato-Truppen, Taliban und paschtunische Stammesfürsten kämpfen, eines Krieges, in dem viele Parteien unterschiedlichste Interessen verfolgen. Atiq Rahimi braucht keine Action-Szenen; gleich seinen Figuren setzt er sein Publikum in der Wüste aus und lässt es die Zerstörung spüren, für die der ausgebrannte Panzer nur ein Symbol ist. Schlimmeres hat der Krieg bei den apathischen Figuren angerichtet: Sie essen, trinken, kommunizieren nicht, sie halten Distanz zueinander und zum Zuschauer. Wenige Rückblenden deuten an, dass Großvater und Enkel dem Inferno eines Bombenangriffs auf ihr Heimatdorf entkommen sind, und dass sie zur Kohlegrube wollen, um Yassins Vater vom Tod seiner Frau zu unterrichten.

Auch deutsche Soldaten, Polizisten und Aufbauhelfer sind an dem seit Jahrzehnten mit wechselnden Parteien und Allianzen geführten Krieg in Afghanistan beteiligt. Wenn sie, wie in letzter Zeit häufiger, entführt werden oder sterben, versuchen Politiker, Reporter und Experten eine Lage zu deuten, die selbst den unmittelbar Beteiligten unerklärlich bleibt. Atiq Rahimis Film zeigt, warum das gar nicht anders sein kann. Daniela Sannwald

In Berlin nur im fsk

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