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© Berlinale

Außer Konkurrenz: Die Kunst der Stunde

Der britische Street-Artist Banksy erzählt in "Exit Through the Gift Shop" von einem, der einen Film über ihn dreht. Es ist ein typischer Banksy.

Es sieht aus wie eine Doku, es fühlt sich an wie eine Doku – aber ist es auch eine Doku? Der Street-Art-Künstler Banksy, von dem niemand weiß, wer er eigentlich ist, und dessen Graffiti so wertvoll sind, dass sie nachts aus Mauern gehauen und mitgenommen werden, hat einen Film gemacht. Es ist kein Film über Banksy. Es ist ein Film über einen Franzosen, der einen Film macht über Banksy. Oder, in Banksys eigenen Worten: ein Typ mit einem Knall, der zufällig eine Kamera hat.

Anfangs ist alles noch übersichtlich: Banksy selbst, oder vielmehr seine Silhouette, wendet sich an das Berlinale-Publikum und wünscht viel Vergnügen bei einem Film, der, so der Brite mit verfremdeter Stimme, wohl Ähnliches für die Street Art leisten werde wie einst „Der weiße Hai“ für Wasserski.

Es tritt auf: Thierry Guetta, Boutiquebesitzer und obsessiver Hobbyfilmer in Los Angeles. Zufällig geriet er einst in Kontakt mit Street-Art-Künstlern und war sofort elektrisiert. Seitdem filmt er sie, geht ihnen zur Hand, steht Schmiere. Über die Jahre trägt er kistenweise Material zusammen. Space Invader, Buff Monster oder Shepard Fairy – er hatte sie alle. Schließlich auch den einen, den sonst niemand kriegt. Banksy. Er filmt ihn bei seinen berühmten Stunts und in seinem Londoner Studio. Von hinten, versteht sich.

Monate später präsentiert Thierry seine fertiggestellte Street-Art-Doku. Banksy begreift: Dieser Franzose ist kein Filmemacher, sondern eben ein Typ mit einem Knall und einer Kamera. Er schickt ihn nach Hause. Soll Thierry sich zur Abwechslung doch selbst mal an der Kunst versuchen, während Banksy die Sache mit dem Film in Ordnung bringt.

Thierry kehrt also heim und der Film steht Kopf. Denn aus Thierry, dem Filmer, wird Thierry, der Gefilmte. Er nimmt Banksy beim Wort, verkauft Hab und Gut, richtet sich ein Studio ein und stellt ein Team zusammen. Wie man Street Art herstellt und sich mit Guerilla- Marketing ins Spiel bringt, hat „Mr. Brainwash“, wie er jetzt heißt, inzwischen ja lernen können. Also macht er einfach dasselbe. Nur überlebensgrößer.

Seine monströse Ausstellung wird eine Sensation, Werke im Wert von einer Million Dollar finden ihre Käufer. Banksy und die anderen kommentieren belustigt, irritiert und durchaus verärgert, wie sie zu Helfern des ehemaligen Helfers wurden. Ungewollt haben sie ein Monster erschaffen: ein Künstler, der nicht nur über Nacht reich und berühmt wurde. Sondern überhaupt erst zum Künstler.

Brainwashs kometenhafter Aufstieg macht einen Witz aus der Erfolgsgeschichte der Street Art, deren Werke inzwischen für viel Geld bei Sotheby’s verkauft werden. Einen guten Witz noch dazu. So gut, dass man versucht ist, nach der Vorführung „Brainwash“ zu googeln, um sicher zu gehen, dass nicht der Film selbst der Witz ist. Und tatsächlich – es gibt ihn. Und seine Werke werden zu satten Preisen gehandelt. Aber ist das wirklich ein Beweis? Oder nicht auch nur wieder einer von Banksys Streichen?

„Exit Through the Gift Shop“ ist sein erster Film und ein typischer Banksy. Er macht sich lustig, aber er zeigt nicht mit dem Finger auf jene, die dem Hype anheim fallen, sondern konzentriert sich ganz auf Thierry: seine Schwärmerei, seine Rastlosigkeit, sein Verlangen, etwas zu tun, irgendetwas, Hauptsache dabei und kreativ sein. Thierrys Motivation bewegt diesen Film, nicht Schadenfreude oder der Zeigefinger. Alles andere ergibt sich nebenbei.

Während der Film sein ursprüngliches Ziel – die Dokumentation einer flüchtigen Kunst – auch noch miterledigt, streift er die Grundlagen: Wie wird man Künstler? Wer entscheidet darüber? Wie „wahr“ sind Dokumentationen? Und: ist Thierry verrückt? Keine Fragen, die nicht schon mal gestellt wurden. Aber wohl noch nie auf derart raffinierte und unterhaltsame Weise. Ist das wirklich alles Zufall? Oder ein geniales Konzept? Nur Banksy kennt die Antwort.

Heute 15 Uhr (Friedrichstadtpalast), 20 Uhr (Urania), 21. Februar, 17. 30 Uhr (Berlinale Palast)

Banksy schickt den Franzosen nach Hause – er solle doch mal selbst kreativ sein.

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