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© Kitty Kleist-Heinrich

"Barriere": Hamlet verzweifelt gesucht

Im Panorama läuft Andreas Kleinerts Castingdrama „Barriere“. Ein Tischgespräch mit dem Regisseur und seinen Schauspielern.

Ein Hausflur, kaum Licht, alles wirkt ein bisschen geheim. Die junge Schauspielerin trägt Rüschenkleid, sie kommt frisch von der Probe, der alte Regisseur, rauchend, ist kaum im Bild. Sie bittet ihn zaghaft um ein Treffen, um einen Monolog zu besprechen, beim Kaffee vielleicht oder beim Essen. Er weist sie ab: „In Kneipen führe ich keine Theatergespräche.“ Dann, später, sitzt er mit einer anderen Schauspielerin im Restaurant. Pasta, Rotwein, Kerzenlicht. So läuft das eben.

Wer wen auswählt und warum, darum geht es in Andreas Kleinerts Castingdrama „Barriere“. Eine Ophelia wird gesucht, ein Hamlet und ein Horatio, große Rollen für einen kleinen Shakespeare-Abend auf einer Freiluftbühne in Zittau. Neun Jungschauspieler aus Berlin reisen zum Vorsprechen in die Provinz. Vor ihnen liegen eine Woche in einem staubigen Hotel, Prahlereien im Frühstücksraum, Probenstress mit dem knorrigen Altregisseur Hans Meinhold (Matthias Habich) – und Trinkspiele, Knutschereien, Eifersucht. Kurz vor Schluss knallt’s.

Vor Drehbeginn hat auch Andreas Kleinert mit seinen Darstellern Einzelgespräche geführt – mit allen, ausnahmslos. Alle, das ist die Schauspielklasse 2009 der Babelsberger Filmhochschule. „Barriere“ ist ihr Abschlussfilm. Am morgigen Dienstag ist Premiere.

Kleinert, der Regisseur („Wege in die Nacht“), wirkt mit seinen 47 Jahren ziemlich jung. Ein Schnelldenker und Vielredner. Der Film, sagt er, sollte auch „eine Liebeserklärung an die Schauspieler sein“. Er kenne keinen Schauspielstudenten, der nicht voller Idealismus sei. „Die treten an mit: Ich erobere die Welt!“

Kleinert sitzt an einem großen Tisch in seiner Pankower Wohnung, neben ihm Nora Rim Abdel-Maksoud und Christoph Humnig, beide 26. In „Barriere“ spielt er das reiche Schauspielerinnenmuttersöhnchen Henning, sie die zuckersüß-giftige Zicke Teresa. Am Ende bekommt sie die Rolle der Ophelia – und lächelt ein Gewinnerlächeln, trotz der dramatischen Vorgeschichte ihrer Besetzung.

„Dass sie die Rolle kriegt, fand ich wichtig“, sagt Kleinert. „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.“ Andererseits entscheidet sich Meinhold, der Regisseur im Film, für einen mäßig talentierten, dafür aber hoch engagierten Horatio. Kleinert: „Ich wollte zeigen, dass solche Leute ebenfalls Erfolg haben.“ Arbeit lohnt sich. So läuft es eben auch.

Karriere – auch danach klingt der Filmtitel. „Ich kenne keinen Beruf, in dem man sich nach dem Studium so sehr durchsetzen muss“, sagt Kleinert. Diese Konkurrenzsituation spiegelt sich im Film. Neun Leute, drei Jobs – da zerhüstelt Teresa den Monolog von Daniel, schüttet Isabell der Allergikerin Teresa Nusspulver ins Müsli. Es gibt auch Harmoniemenschen und Teamplayer. Trotzdem gilt für die Schauspieler in „Barriere“ Ähnliches wie für die Figuren, die sie verkörpern: „Im Hinterkopf denkt man: Das ist deine Chance“, sagt Absolvent Humnig. „Mit diesem Film kommst du auf den Markt.“ Da habe man natürlich zunächst den Drang, sich in den Vordergrund zu spielen. „Aber gleichzeitig sagt man: Ich muss mich in den Dienst dieses Films stellen. Damit er gut wird.“

Nora Rim Abdel-Maksoud sieht das ähnlich: „Natürlich gibt es in so einer Klasse unausgesprochene Rivalitäten und Neid.“ Die Hierarchie ist klar, es gibt Positionen wie „Nummer vier bei den Jungs“ oder „Nummer zwei bei den Mädchen“. Aber: „Wir funktionieren gut zusammen – und wir mögen uns.“ Die Dreharbeiten seien wie eine Klassenfahrt gewesen, mit Lagerfeuer und bester Laune. Auch sie betont: „Wenn du dein Ego in den Vordergrund rückst, wird der Film ja nicht besser.“

Kleinerts Drehbuch war 43 Seiten lang, halb so viel wie üblich, das ließ Raum für Improvisation. Den haben die Schauspieler genutzt: Die Figuren reiben sich aneinander, dass die Funken sprühen. Der faszinierendste Darsteller des Films hat allerdings nie eine Schauspielschule besucht. Paul Preuss ist der Dorfjunge Timo, jünger als die aus der Castinggruppe, 15 vielleicht. Mit Flaum auf der Oberlippe und großen Augen, die scheu und unergründlich die Theateraliens betrachten, die da durch seine Stadt laufen. Eine echte Entdeckung. Timo ist der eigentliche Hamlet, die tragischste Figur.

Was kommt nach „Barriere“? Für Christoph Humnig und Nora Rim Abdel-Maksoud läuft es gerade ganz gut. Er ist an einigen kleineren Filmprojekten beteiligt, spielt Theater, nebenbei hat er ein Lehramtsstudium begonnen – zur Sicherheit. Sie probt für eine neue, noch geheime Produktion. Auf der Berlinale ist sie noch in einem anderen Film zu sehen: „Shahada“ von Burhan Qurbani läuft am Mittwoch im Wettbewerb. Auch ein Abschlussfilm. Vielleicht gewinnt er ja.

16.2., 22.30 Uhr (Colosseum 1), 17.2., 22.30 Uhr (Cinemaxx 7), 18.2., 20.15 Uhr (Cinestar), 19.2., 20.15 Uhr (Cubix 7 & 8)

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