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Präzise Inszenierung für jüngere Zuschauer: Zhang Yimous "Under the Hawthorn Tree" (im Bild: Die Hauptdarsteller Shawn Dou und Zhou Dongy).

© Berlinale

Die Nachwuchsfestivals: Auf den Dächern, an der Schwelle

Neben dem Berlinale-Programm gibt es auch in diesem Jahr wieder zwei Reihen für Kinder und Jugendliche. "Generation 14plus" richtet sich an Heranwachsende an der Grenze zum Erwachsenwerden, "Generation Kplus" vermeintlich an ein ganz junges Publikum.

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Pubertierende, Halbstarke und Heranwachsende stehen im Zentrum von Generation 14plus. Es sind Geschichten, die von einer Schwelle erzählen, die übertreten wird oder werden muss, von Grenzerfahrungen, von Verlust und Gewinn, von Problemen und Konflikten, mit denen jeder Mensch in seinem Leben zu tun gehabt hat.

Los geht es mit der australischen Komödie „Griff the Invisible“ einem von sechs Erstlingsfilmen der Reihe. Der Büroangestellte Griff ist zwar schon Ende 20, aber seine Strategie zur Lösung von Konflikten ist typisch kindlich: In seiner Vorstellung baut er sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Er kann unsichtbar werden und seine Gegner besiegen. Dass er damit die tatsächlichen Probleme eher noch verschlimmert, ist abzusehen. Aber Griff ist nicht der Einzige, dem die Realität nicht passt.

Ähnlich tragikomisch geht es auch im dänischen Film „Skyskraber“ zu, einem von drei skandinavischen Beiträgen und ebenfalls ein Debütfilm. Auch hier hält die geistige Entwicklung des Protagonisten nicht mit der körperlichen mit: Jon ist zwar schon 16, aber seit er durch einen harmlosen Streich eine Katastrophe herbeigeführt und das gesamte Dorf ins Unglück gestürzt hat, stagniert er auf dem Niveau eines Neunjährigen. Es ist sein reiferer Körper, der ihn zu seiner blinden Nachbarstochter hinzieht, und notgedrungen muss der Geist folgen.

Die neurotische Welt der Erwachsenen durch die Augen eines Kindes zu zeigen, ist ein beliebtes Motiv der Reihe. Im Gegensatz dazu handeln die beiden ausgezeichneten US-amerikanischen Beiträge „Jess + Moss“ und „The Dynamiter“ von Heranwachsenden, die auf sich allein gestellt sind. Einfühlsam schildern diese beiden Debütfilme, wie die Kinder und Jugendlichen ihren Alltag meistern und wie sie nach Vorbildern suchen.

Ein großer Wurf ist der Sektion mit dem neuen Film des chinesischen Berlinale-Veterans und Bärengewinners Zhang Yimou („Rotes Kornfeld“, „Hero“) gelungen. Sein Melodram „Under the Hawthorn Tree“ vor dem Hintergrund der Kulturrevolution trägt zwar bisweilen dick auf, doch der präzisen Inszenierung kann man sich kaum entziehen. Die jüngeren Zuschauer lernen hier vielleicht etwas über chinesische Geschichte, die Erwachsenen folgen mit glasigen Augen einer Lovestory.

Die Reihe Generation Kplus trägt seit einigen Jahren diesen sperrigen Namen, weil „Kinderfilmfest“ nicht mehr zum Anspruch passte. Zwar werden auch Kinderfilme gezeigt, aber vor allem sind es Filme über Kinder – und das ist etwas ganz anderes. Der Eröffnungsfilm „Jørgen + Anne = für immer“ zum Beispiel ist für Kinder gemacht (hier mit kurzen Exkursionen ins Horrorgenre), spannend erzählt und führt zu einem guten Ende. Der schönste Beitrag der Reihe heißt „Der stärkste Mann von Holland“ und handelt von Luuk, der herausfinden will, wer sein Vater ist. Auch für Erwachsene ein Genuss ist der Zeichentrickfilm „Die Katze von Paris“, eine klassische Gaunergeschichte über den Dächern von Paris – elegant, witzig und stilsicher.

Filme über Kinder stellen Kinder in den Mittelpunkt einer oft äußerst problematischen Geschichte. In „Der Kindheitserfinder“ findet Aharon in seinem Elternhaus und in der israelischen Gesellschaft der frühen Sechziger keinen Raum zum Wachsen und nimmt sich schließlich das Leben. In „Ich bin nicht unsichtbar“ fürchtet die neunjährige Cayetana, Scheidungskind im Peru der frühen Achtziger, die Geburt ihres Halbbruders, weil sie glaubt, dass nur für ein Kind Platz im Leben ihrer überforderten Mutter sei. In „Morgen wird alles besser“ schlagen sich drei kleine Straßenjungs von Russland nach Polen durch. Für Erwachsene ist es verblüffend, was Regisseurin Dorota Kedzierzawska ihren drei Hauptdarstellern entlockt – Kinder werden sich bei der epischen Erzählweise eher langweilen.

„Wind und Nebel“ ist ein herausragender iranischer Antikriegsfilm. Der sechsjährige Sahand hat den Tod seiner Mutter in einem irakischen Angriff miterlebt und schwankt seither stumm zwischen Sterbenwollen und Weiterleben. Wer den philippinischen Dokumentarfilm „Sampaguita“ mit Kindern ansehen will, muss ihnen erklären, warum ein Straßenkind sich „wegen der Nieren“ vor einer Entführung fürchtet, warum Eltern ihre Kinder im Stich lassen oder so prügeln, dass die Kinder ins Waisenhaus wollen. Nach solchen Filmen findet man auch als Erwachsener keinen Schlaf mehr. Klar, man soll ein Kinderpublikum nicht unterschätzen – aber hier muss man schon sehr überzeugt davon sein, dass Acht- oder Zehnjährige die Realität bereits in ihrer ganzen Grausamkeit kennen sollten.

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