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© dpa

Bruni-Tedeschis ''Actrices'': Es gibt nichts Marginaleres als uns selbst

Autorin, Regisseurin und Schauspielerin - Valeria Bruni-Tedeschi inszeniert sich in "Actrices" als Grenzgängerin zwischen Sein und Spiel. Herausgekommen ist ein Film, der oftmals erstaunlich direkt ist.

Die recht berühmte, nicht mehr ganz junge Schauspielerin Valeria Bruni-Tedeschi, die einst bei einer Aufführung von Turgenjews „Ein Monat auf dem Lande“ von der Regieassistentin ersetzt wurde, hat ihren zweiten Film gedreht. Buch, Regie und Hauptrolle: Valeria Bruni-Tedeschi. „Actrices“ handelt von einer recht berühmten, nicht mehr ganz jungen Schauspielerin, die bei einer Aufführung von „Ein Monat auf dem Lande“ von der Regieassistentin ersetzt wird. Und von den Tagen zuvor und danach.

Auch von jener Stunde, da eine Gynäkologin die Schauspielerin darauf hinweist, dass eine Frau mit 70 keine Kinder mehr bekommt, und wenn sie also noch etwas vom Leben wolle … „Actrices“ neigt zu solchen Direktheiten. Der Film scheut auch nicht davor zurück, Hauptdarstellerin Marcelline in die nächste Kirche laufen und inmitten von Kerzen zur heiligen Jungfrau beten zu lassen: „Heilige Jungfrau … Hilf mir die Liebe zu finden. Lass mich ihm begegnen, mich ihm hingeben … Und wenn ich eines Tages sterbe, werde ich auf ein Leben voller Sinn zurückblicken … und ich verzichte auf Ruhm und Erfolg.“ Interessieren wir uns für die Sinnkrisen von Personen solcher Gemütslagen? Ja, doch. Schon.

Der Film ist ironisch distanziert - gleichzeitig aber auch abstandslos

Denn wer sagt denn, dass Marcelline selbst hier spricht? In Filmen wie diesem bekommt auch jener Teil unseres Ichs eine Stimme, dem wir sonst sofort das Wort verbieten würden, wegen akuter Unterbietung des eigenen Verstandes, wegen der Infantilität des Wünschens auch. Der Blick der Regisseurin auf die betende Hauptdarstellerin, also auf sich selbst, ist voll ironischer Distanz und abstandslos zugleich. Denn wie jeder Mensch weiß Valeria Bruni-Tedeschi, weiß Marcelline, dass es nichts Marginaleres gibt als einen selbst. Und nichts Absoluteres zugleich. Und bei einer Schauspielerin erst! Natürlich kann eine Bürofrau ihr Büro betreten mit dem Wissen: Ich bin hier das Nebensächlichste überhaupt! Und es wird eine Wahrheit sein. Aber kann jemals eine Schauspielerin eine Bühne so betreten?

Dafür haben Schauspieler besondere Privilegien: Sie dürfen durch viele andere Leben gehen. Und dieses ausgeborgte Dasein ist oft intensiver, als jedes eigene es sein könnte. Aber auch unser eigentliches Dasein findet in abgeleiteten, artifiziellen Welten statt – Zeichen moderner Existenz. Nicht nur für eine gewohnheitsmäßige Hauptdarstellerin ist die Erkenntnis kränkend, Nebendarsteller des eigenen Lebens zu sein.

Kein Mensch lebt nur in der Wirklichkeit

In „Actrices“ wird aus diesem Wissen ein Filmblick, dem man nie ohne Reserve, aber mit wachsendem Interesse und Sympathie folgt – selbst wenn Marcellines Turgenjew-Regisseur (Mathieu Amalric) mit dem Credo „Action statt Psychologie!“ nur eine Karikatur ist. „Actrices“ macht auf phantasievoll-beiläufige Art Ernst mit unserer von Natur aus surrealen Existenz. Kein Mensch lebt nur in einer Wirklichkeit, und die besten Gespräche führt man ja doch mit Menschen, die es nicht mehr gibt. So sitzt Marcellines verstorbener Vater plötzlich neben ihr auf dem Sofa – ihre lebendige Mutter dagegen ist eine (amüsante) Strapaze.

Sehr genau ist diese Grenzgängerin Valeria Bruni-Tedeschi, als Marcelline wie als Regisseurin. Eine Grundsicherheit immerhin schafft die Entscheidung, als Schauspielerin Regie zu führen: Die Gefahr, von der Regieassistentin ersetzt zu werden, ist gleich viel geringer.

Broadway, Delphi, FT Friedrichshain Hackesche Höfe; OmU im Cinema Paris und im Neuen Off.

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